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bvik-Mitglied Steffanie Rohr über die Herausforderungen in der Industrie und die neuen Aufgaben des Marketings im Kontext der Digitalisierung.
Im Interview mit dem bvik macht Steffanie Rohr deutlich, warum es wichtig ist, dass deutsche Industrieunternehmen einen Kulturwandel vollziehen und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Außerdem erklärt Sie, welche neuen Aufgaben die Marketingabteilung für sie im Kontext der Digitalisierung übernehmen muss und warum der TAG DER INDUSTRIEKOMMUNIKATION ein Feuerwerk an Fachwissen und Inspiration wird.
Inhaltsverzeichnis
bvik: Liebe Frau Rohr, was sind Ihrer Meinung nach die Trends im B2B-Marketing 2019 beziehungsweise in den kommenden Jahren?
Steffanie Rohr: Persönlich sehe ich hier zwei spannende Themen, die uns in den kommenden Jahren begleiten werden. Zum einen geht es darum, wie B2B-Unternehmen ihren digitalen Reifegrad weiter steigern können. Dies beschränkt sich nicht nur auf das Marketing. Digitalisierung muss in allen Bereichen eines Unternehmens ankommen und in bestehende Prozesse integriert werden. Bisher haben sich die meisten B2B-Unternehmen damit beschäftigt, einzelne Touchpoints zu digitalisieren. Diese Zeit ist vorbei. Heute wollen wir dem Kunden eine reibungslose Customer Journey bieten, innerhalb der er nahtlos zwischen digitalen und analogen Touchpoints wechseln kann – ganz nach seiner Präferenz. Sofortige Reaktion, personalisierte Serviceleistungen und Informationen auf Knopfdruck: Das sind nur ein paar Faktoren, die Kunden aus dem privaten Bereich kennen und zunehmend auch in ihrem beruflichen Umfeld von ihren Lieferanten und Partnern erwarten.
Das zweite Thema geht mit dieser Entwicklung Hand in Hand: Abteilungen müssen noch enger zusammenarbeiten. Wir müssen Silo-Denken aufbrechen, um solch eine reibungslose Customer Journey möglich zu machen. Früher hat sich die Marketingabteilung darauf konzentriert, Leads zu generieren und dann den Staffelstab an den Vertrieb übergeben. Heute reichen die Aufgaben des Marketings beispielsweise durch Marketing Automation oder E-Commerce tiefer in den Funnel hinein, und die Aufgaben von Marketing und Vertrieb gehen immer mehr ineinander über. Hat sich früher die IT-Abteilung allein um die Auswahl der Systeme und Softwarekomponenten gekümmert, ist es heute immer wichtiger, dass Vertrieb und Marketing hier die User-Seite ‒ intern wie extern ‒ vertreten. Nur so können Unternehmen sicherstellen, dass die ausgewählten Lösungen einerseits der IT-Sicherheit und -Kompatibilität dienen und andererseits die Anforderungen der Nutzer ins Zentrum stellen.
Welche Projekte nehmen Sie in Ihrem Unternehmen, der NORMA Group Holding, in diesem Jahr in Angriff?
Rohr: Ich bin für das Marketing des Bereichs Distribution Services in der Region EMEA (Europe, Middle East, Africa) bei der NORMA Group verantwortlich. Für diesen Bereich haben wir einen Fünfjahresplan zur digitalen Transformation unseres Marketings aufgesetzt. Er steht unter dem Motto: „How can marketing drive sales“? Unser Ziel ist, zukünftig die gesamte Customer Journey mit zielgerichteten Marketinginitiativen zu flankieren und Hand in Hand mit dem Vertrieb die Reise des potenziellen Kunden durch den Sales Funnel zu begleiten. Das Ganze ist eine Mischung aus Pull- und Push-Konzepten und verbindet digitale mit analogen Marketingmaßnahmen. Darüber hinaus möchten wir unseren Kunden wertschöpfende Dienstleistungen im Bereich E-Commerce anbieten. Im ersten Schritt entwickeln wir hierfür gerade eine digitale Self-Service-Plattform inklusive Webshop für unsere Bestandskunden.
Die Trends der Zukunft stehen auch beim TAG DER INDUSTRIEKOMMUNIKATION (TIK), der Leuchtturm-Veranstaltung des bvik, im Fokus. Im Themenblock NEW BUSINESS geht es unter anderem darum, wie Marketing auch im B2B zum Treiber von digitalen Geschäftsmodellen werden kann. Was muss sich dafür aus Ihrer Sicht in der deutschen Industrie verändern?
Rohr: John Wanamaker prägte den treffenden Satz: „Die Hälfte des Geldes, das ich für Werbung ausgebe, ist verschwendet. Das Problem ist, ich weiß nicht, welche Hälfte.“ Digitales Marketing und die damit einhergehende Datengewinnung lösen dieses Dilemma ein Stück weit auf: Wir können heute besser und verlässlicher ermitteln, wo Marketinginvestitionen gewinnbringend eingesetzt sind und wo sie „verschwendet“ sind, um bei der Formulierung von Wanamaker zu bleiben. Im ersten Augenblick mag es erschrecken, direkt zu sehen, was nicht funktioniert. Aber näher betrachtet ist dies gut, weil man nun reagieren und seine nächsten Schritte danach ausrichten kann. So wird Marketing effektiver und fördert den Absatz.
Zusätzlich können wir aufgrund der gewonnenen Daten immer mehr über unsere Kunden und Interessenten lernen. Bestenfalls führt dies zu Customer Insights, die wir in neue Geschäftsideen verwandeln. Und natürlich ist das Marketing sehr häufig das kreative Herz eines Unternehmens: Wir haben Ideen, Visionen und bewegen uns auch außerhalb bekannter Denkmuster. All dies sind Zutaten, um gänzlich neue Geschäftsmodelle zu erdenken. Damit dieses Potenzial genutzt werden kann, müssen Unternehmenschefs gewillt sein, diese neuen Wege mitzugehen und mitzutragen. Das bedeutet häufig auch einen Kulturwandel in Unternehmen: Mitarbeiter aller Hierarchiestufen müssen willens sein, neue Pfade zu beschreiten – abseits der Wege, die Partner und Wettbewerber bereits ausgetreten haben. Das umfasst auch die Bereitschaft, Risiken einzugehen und Investitionen in die Zukunft zu tätigen, ohne sicher zu wissen, wie die Zukunft aussieht. Außerdem muss man gewillt sein, ausgewählten Mitarbeitern Freiraum zu geben, in ihre Kompetenzen und Visionen zu vertrauen – auch wenn man selbst sich so manches nicht vorstellen kann, weil man vielleicht aus einem anderen Kulturkreis stammt oder einer anderen Generation zugehört. Und zu guter Letzt muss man bereit sein, Rollen von Positionen und Abteilungen neu zu definieren.
In diesem Jahr hat der bvik zum ersten Mal einen Expertenrat für die Themen- und Referentenauswahl für den TIK ins Leben gerufen. Wir freuen uns, dass auch Sie sich aktiv daran beteiligt haben. Wie haben Sie das Treffen empfunden und wie beurteilen Sie die Idee dahinter?
Rohr: Im Marketing wird immer appelliert man solle seine Zielgruppe in den Mittelpunkt stellen und sein Handeln danach ausrichten. Der bvik fordert dies nicht nur, sondern lebt es in allen mir bekannten Bereichen. Genau das spiegelt sich auch im Ansatz des Expertenbeirats für den TIK wieder. Ich finde den engen persönlichen Austausch sehr ergiebig und begrüße ausdrücklich, dass nicht nur ein Fragebogen versendet wurde. Dem bvik ist es gelungen, eine hervorragende Mischung von unterschiedlichen Fachleuten aus der Industrie- und Agenturlandschaft zusammenzustellen, um die unterschiedlichsten Blickwinkel miteinzubeziehen. Das schafft in meinen Augen einen enormen Mehrwert für die Relevanz und die Inhalte.
Was macht den TIK aus Ihrer Sicht zu einem besonderen B2B-Event und was erwarten Sie in diesem Jahr?
Rohr: Der TAG DER INDUSTRIEKOMMUNIKATION bietet einen hervorragenden Blick über den Tellerrand hinaus und beleuchtet interessante Zukunftsthemen, mit denen wir Marketer uns unbedingt beschäftigen sollten, die uns aber vielleicht noch gar nicht bewusst sind. Das Besondere dabei ist die Mischung der Vorträge, die wissenschaftliche Ansatzpunkte ebenso wie Best Cases der Industrie zeigen. Kurz gesagt: Der TIK schärft die Sinne für die Zukunft und eröffnet neue Blickwinkel. Außerdem ist er der Treffpunkt für die B2B-Branche und eine hervorragende Networking-Plattform. Somit bin ich überzeugt, dass der TIK 2019 wieder ein Feuerwerk an Fachwissen, Inspiration und Erfahrungsaustausch bietet; vielleicht schafft er es sogar, die sehr hohe Benchmark vom Vorjahr zu toppen.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Wie sieht eigentlich Ihr persönliches Marketing-Erfolgsmodell für die Zukunft im B2B aus?
Rohr: Mein persönliches Erfolgsmodell besteht darin, authentisch zu bleiben, mir Inspiration aus verwandten und auch ganz anderen Branchen zu holen sowie diese Inspiration in neue Marketingansätze für meinen Aufgabenbereich zu verwandeln. Ich selbst habe in zwei Start-up-Unternehmen gearbeitet. Dort habe ich gelernt, ab und an andere, unkonventionelle Wege zu gehen, um ein Ziel zu erreichen – wenn beispielsweise die Zeit, die Mittel oder das Wissen fehlen, um die gewohnten Wege zu verfolgen. Man sollte immer für neue Blickwinkel offen sein und sich fragen, welchen Einfluss bestimmte Innovationen und Entwicklungen auf die eigene Branche haben könnten. Man mag dabei mit seinen neuen Ideen immer wieder mal auf Unverständnis oder Abwehrmechanismen stoßen, aber meine Erfahrung hat gezeigt, dass eine charmante Hartnäckigkeit gepaart mit Geduld und Quick-Wins zum Ziel führen.