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Agilität im Marketing erfolgreich auf dem Vormarsch

Während aus der Softwareentwicklung agile Projektmanagement-Methoden mittlerweile gar nicht mehr wegzudenken sind, hat sich die Agilität im Marketing bislang erst in wenigen Unternehmen etabliert. Dabei gibt es auch im Marketing viele Anwendungsfälle, in denen agile Vorgehensweisen den klassischen deutlich überlegen sind.

Agilität – Was ist das überhaupt?

Wer vom agilen Projektmanagement hört, der kommt auch an Begriffen wie Scrum oder Kanban kaum vorbei. Diese beiden Methoden stellen aber nur Rahmenstrukturen dar und haben Bekanntheit vor allem durch den Einsatz in der Softwareentwicklung erlangt – auch wenn Sie durchaus auch für andere Bereiche sinnvoll eingesetzt werden können.

Scrum und Kanban verbindet dabei vor allem eines: Sie bauen auf gemeinsamen agilen Werten auf.

Erst das richtige Mindset führt zum Erfolg. Um die Agilität auch im Marketing auf ein einheitliches Wertesystem zu stellen, hat das „Agile Marketing Manifesto“ sich daher mit der Frage beschäftigt, welche Werte agiles Marketing benötigt.

Die dort ausgearbeiteten Punkte wie “validiertes Lernen über Meinungen und Konventionen” (“das haben wir schon immer so gemacht”) oder “kundenorientierte Zusammenarbeit über Silos und Hierarchien hinweg” (Kundenzentrierung) bilden hervorragend die Grundwerte von Agilität ab.

Mein dringender Rat: Beschäftigen Sie sich mit diesen Punkten (Was bedeutet das für meine Arbeit?), schicken Sie die Liste jetzt an Ihren Drucker, hängen Sie sich die Liste sichtbar auf und hinterfragen Sie Ihre Arbeit wöchentlich auf diese Werte. Der erste kleine Schritt zur Agilität!

Warum Agilität im Marketing sinnvoll ist – weg von der Planungsstarre

Es gibt Disziplinen im Marketing, da ist Agilität nicht nur einfach eine hippe Methode. Sie kann sogar Geld sparen oder höhere Umsätze generieren, wenn sie richtig angewendet wird.

In vielen Unternehmen ist es ein alljährliches Ritual: Jahresplanungen werden in Excel-Tabellen ausgearbeitet, in vielen Runden verteidigt und schließlich verabschiedet.

Der Marketing-Manager freut sich, weil er 30.000 Euro Budget für Social Media Marketing oder Radiowerbung freischaufeln konnte. Das wird dann im kommenden Jahr natürlich voll ausgeschöpft – oftmals ohne belegbar zu hinterfragen, ob die Kampagnen überhaupt erfolgreich waren.

Andersherum können Jahresplanungen sogar das Wachstum beschränken: Sobald ich merke, dass meine Kampagne erfolgreich ist und jeder investierte Euro im Marketing mir vier Euro Umsatz beschert, dann treibe ich dieses Modell solange weiter, wie es funktionier und höre nicht nach 30.000 Euro Spending auf, nur weil dann mein Jahresbudget aufgebraucht ist.

Dennoch: Eine Planung ist natürlich auch in der Agilität die Basis. Sie hilft bei strategischen Überlegungen und ist ein guter Fahrplan für anstehende Aktivitäten.

Verfallen Sie aber nicht in Planungsstarre: “Plans are worthless, but planning is everything” (Dwight D. Eisenhower). Machen Sie einen Plan, aber reflektieren Sie diesen regelmäßig und passen ihn, wenn notwendig, an.

Stellen Sie sich darauf ein, dass sich geplante Leistungen und Maßnahmen ändern. Wie sonst wollen Sie schnell auf Veränderungen reagieren?

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess: „Inspect & Adapt“

“Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.” Dieses Zitat von Henry Ford haben Sie sicherlich schon zu genüge gehört.

Mit fortschreitender technologischer Entwicklung haben wir heute allerdings zahlreiche Möglichkeiten, die Customer Journey vom ersten Kontakt bis zum Kauf nachzubilden. Dazu gibt es mittlerweile selbst Algorithmen, um den ROI von Fernsehwerbung zu messen.

Wenn Sie nun schon in Gedanken die komplette Customer Journey Ihres Kunden von der Facebook-Anzeige über den Messebesuch bis hin zum Verkaufsabschluss durchmessen: Es ist super, das große Ganze im Blick zu halten.

Lassen Sie sich allerdings nicht von der Komplexität lähmen sondern zerlegen Sie die Kaufkette des Kunden in einzelne Schritte und überlegen Sie, wie Sie den Erfolg der einzelnen Kampagnen innerhalb dieser Reise messen können: Kampagnenparameter an URLs zu hängen ist dabei schon eine sehr einfache und effektive Möglichkeit.

Mit einem individuellen Gutscheincode für die nächste Printkampagne können Sie wunderbar Einlöseraten ermitteln und bekommen direktes Feedback über den Kampagnenerfolg. Wenn Sie dann noch zwei unterschiedliche Anzeigen gestalten lassen, sind Sie schon mitten im A/B-Testing und können prüfen, welche Variante mehr Aufmerksamkeit erzeugt.

Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen können Sie dann kritisch den Erfolg einzelner Kampagnen hinterfragen und Ihre Arbeit dahingehend anpassen – in der agilen Terminologie wird dieser wiederkehrende Prozess als Inspect & Adapt bezeichnet.

Der spätere Königsweg ist es dann natürlich, die einzelnen Kontaktpunkte in der Kaufreise des Kunden miteinander möglichst lückenlos zu verknüpfen – das sog. Customer Journey Tracking.

Was für die Kampagnen im Marketing gilt, gilt natürlich auch für Ihre agilen Prozesse. Führen Sie regelmäßig stattfindende „Retrospektiven“ (https://www.scrum.org/resources/what-is-a-sprint-retrospective) ein, um Ihre Arbeit ständig zu hinterfragen und Verbesserungspotenziale zu identifizieren und zu implementieren. Unter retromat.org (https://retromat.org/) finden Sie zahlreiche Anregungen, um die Retrospektive abwechslungsreich zu gestalten.

Prima, aber wie werde ich nun agil?

Agilität besteht vor allem aus zwei zentralen Bestandteilen: Tools und Mindset. Während Tools schnell implementiert sind, ist das Thema Mindset oftmals eine riesige Hürde.

In vielen Unternehmen benötigt es grundlegende Mindset-Shifts. Je nach Größe der Veränderungen kann hier ein aktives Change-Management unumgänglich sein, mit der selbst der CIO oder CDO überfordert sein können. Die Unterstützung durch einen CPO kann hilfreich sein, denn es gibt viele Themenfelder zu bearbeiten:

From Profit to Purpose”. Wen lockt man heute noch mit dem Unternehmensziel “50% mehr Umsatz” aus der Reserve? Wer einem Zweck folgt, bei dem wird sich auch der wirtschaftliche Erfolg einstellen. Yvon Chouinard, Gründer von Patagonia, gibt dafür in seinem Buch “Let my people go surfing” ein wunderbares Beispiel.

From Privacy to Transparency”. Informationen, die nur auf bestimmten Hierarchieebenen oder in gewissen Abteilungen lanciert werden, können nicht nur für Frustration, sondern sogar für Effektivitätsverluste sorgen. Machen Sie Ihre Arbeit transparent. Starten Sie z.B. mit einer einfachen Kanban-Tafel an Ihrer Bürowand.

From Hierachies to Networks”, “From Controlling to Empowering, “From Planning to Experimentation” – es gibt so einige Hürden in der agilen Transformation zu nehmen.

Agile Transformation: Fehler zulassen als Herausforderung für alle

Auch unsere Fehlerkultur muss sich ändern. In den USA wird man für seine “Entrepreneur-Fails” sogar gefeiert und erst als Geschäftsmann akzeptiert, sobald man seine Firma an die Wand gefahren hat, die mit mehreren Millionen Dollar an Investment-Geldern gefüttert war. In Mexiko entstanden die sog. Fuckup-Nights, in denen Unternehmer mittlerweile global vom Scheitern berichten. Besuchen Sie doch einmal so ein Event!

Das Scheitern regelrecht zu feiern kann natürlich gefährlich sein. Eine gute Planung und strategische Herangehensweise darf nicht das Opfer von Fehlerkultur sein. Trotzdem ist ein Umdenken erforderlich.

Denn in Deutschland arbeitet so mancher Manager in Schockstarre. Die Angst vor dem Scheitern lähmt, es wird alles wochenlang bis zu 100-prozentiger Perfektion vorbereitet.

Die agile Denkweise deckt sich dabei mit dem sog. Paretoprinzip: Es ist effektiver nach kurzer Zeit mit einer 80 %-Lösung an den Start zu gehen und diese kontinuierlich auf Basis des validierten Lernens zu verbessern, anstatt die letzten arbeitsintensiven 20 % wochenlang in diversen Gremien zu diskutieren.

Bringen Sie Ihre Kampagnen oder Projekte wie auch ein „Minimum Viable Product“ früh an den Markt, messen Sie den Erfolg anhand unterschiedlicher KPIs (Costs Per Lead/Kontaktvergütung, Kundenbindungsrate, etc.) und verbessern das Produkt mit den gewonnenen Erkenntnissen.

Sobald Sie beginnen agil zu arbeiten, werden Sie auch die Kollegen aus anderen Abteilungen wie etwa den Einkauf oder das Controlling vor neue Herausforderungen stellen. Statt der gewohnt starren, aber vermeintlich sicheren Vertragswerke mit genau festgelegten Leistungen mit Agenturen, stehen hier Projekte mit einem noch zu definierenden Endergebnis im Fokus. Dank „Inspect & Adapt“ in allen Phasen wird zudem oftmals ein fortlaufender Prozess implementiert. Dies erfordert ein radikales Umdenken und ein Verlassen vertrauter Gewohnheiten.

Sprechen Sie frühzeitig mit den Kollegen, legen Sie transparent die Entwicklungen offen und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen für die neuen Prozesse. Sie werden merken, dass dies oftmals leichter geht als gedacht.

Aber nicht nur im Unternehmen auf struktureller Ebene, sondern auch auf persönlicher Ebene kann es Hürden geben. Und am Ende muss die Veränderung von uns als Menschen vorangetrieben werden.

Typische menschliche Verhaltensmuster bei Veränderungen

Für einige ist das Thema Agilität völlig einleuchtend und natürlich: Sie sind hellauf begeistert von den neuen Methoden und können diese sofort implementieren. No worries.

Manch andere benötigen mehr Zeit. Sie haben über Jahre hinweg Verhaltensmuster einstudiert, auf die das Gehirn nun wie auf einen Automatismus zugreift. Es dauert hier etwas Zeit, um die neuen Denkweisen zu verinnerlichen. Am besten geht dies mit fortwährender Implementierung. Die konsequent angewandte Methode Inspect & Adapt hilft tatsächlich auch hier wieder wunderbar, um sich selbst und das eigene Verhalten ständig zu hinterfragen (haben Sie denn das Agile Marketing Manifesto schon ausgedruckt?)  und gewohnte Verhaltensmuster so nach und nach zu durchbrechen.

Dann gibt es noch die Gruppe der Verweigerer. Die Gründe können vielschichtig sein. Regelmäßig führt jedoch die Einführung der Agilität und damit die Auflösung von Hierarchien natürlich auch zu Verlustängsten. Es geht um Kompetenzen und persönliche Belange. Ein sehr schwieriges Thema im Change-Management, das vor allem Geduld und professionelles Vorgehen benötigt.

Die agile Zusammenarbeit zwischen Industrie und Agenturen

Auch die agile Zusammenarbeit mit Agenturen stellt gewohnte Abläufe auf den Kopf. Während die Erstellung von Lasten- und Pflichtenheften sowie deren Erfüllung im Rahmen eines Werkvertrages bisher für Eindeutigkeit gesorgt haben, begeben sich beide nun auf eine zum Teil ungewisse Reise.

Das Projektziel ist zwar klar, der Weg dorthin kann sich jedoch oftmals sehr unterschiedlich ausgestalten. Das erschwert es den Agenturen präzise Voraussagen zu treffen, während der Auftraggeber auf der anderen Seite eine exakte Kostenplanung erwartet.

Hier helfen Anforderungsdokumente in der Projektvorbereitung nach wie vor. Sie können sogar so weit gehen und detaillierte Lasten- und Pflichtenhefte erstellen. Auf dieser Basis können Agenturen präzise Aufwandsschätzungen erstellen.

Machen Sie sich anschließend jedoch frei von der starren Erfüllung der Anforderungen. Denn die Anforderungen ändern sich erfahrungsgemäß. Neue kommen hinzu, bisherige Anforderungen werden obsolet. Vielleicht entfallen sogar so viele Anforderungen, dass Sie am Projektende gar nicht das komplette Budget abrufen müssen – das spart Zeit und Geld!

In der Zusammenarbeit von Auftraggeber und Auftragnehmer hilft in agilen Projekten vor allem Vertrauen. Und dies erreichen Sie, indem Sie viel miteinander kommunizieren und absolute Transparenz schaffen.

Tracken Sie ganz transparent die geleisteten Arbeiten und stellen Sie diese jederzeit einsehbar zur Verfügung. Setzen Sie Burndown-Charts und Vorgehensmodelle wie Scrum ein, welches neben Inspect & Adapt als dritte Säule vor allem auf Transparenz setzt (www.scrum.org/resources/blog/three-pillars-empiricism-scrum) und so beispielsweise Meetings für den täglichen Austausch implementiert (sog. Dailys).

Darüber hinaus verfolgt Scrum mit seinem iterativen, inkrementellen Ansatz das Ziel, am Ende eines jeden Entwicklungszyklus (sog. Sprints, ca. ein bis vier Wochen) ein potenziell auslieferbares Ergebnis zur Verfügung zu stellen. Diese Mentalität gibt auch dem Auftraggeber die Sicherheit, dass ihm bereits nach kurzer Zeit ein prinzipiell nützliches Ergebnis zur Verfügung steht, was das Projektrisiko merklich mindert.

Scheuen Sie auch nicht, die Agentur während des Projektes im Notfall zu wechseln, falls Sie mit den Fortschritten unzufrieden sind: Dank Scrum und der inkrementellen Vorgehensweise ist dies nicht unmöglich – auch wenn es sicherlich kurz weh tut.

Greifen Sie bei Ihren ersten Projekten mit Scrum auch gerne auch auf einen erfahrenen, externen Product Owner oder sogar auf einen externen Scrum Master zurück. Dieser hilft bei der Einführung von agilen Methoden und Denkweisen und schützt das Projektteam vor äußeren Einflüssen. Da ein Scrum Master von außerhalb nicht in die politischen Gegebenheiten einer Firma involviert ist, kann er anderen leichter auf die Füße treten – und sollte dies auch tun, um das Team zu schützen.

Lassen Sie sich nicht entmutigen!

Bei aller Komplexität, die in dem Thema agile Transformation steckt, kann ich auch hier wieder nur empfehlen: Gehen Sie agil vor, wenn Sie agil werden möchten.

Es ist gut, wenn Sie einen Überblick über die Komplexität haben. Aber schrecken Sie nicht zurück, falls Sie vor einer schwierigen Aufgabe stehen. Schon mit kleinen Dingen kann viel bewegt werden. Sie brauchen dazu auch keinen CPO – fangen Sie bei sich selbst an.

Versuchen Sie das Thema in einzelne Schritte zu zerlegen und fangen mit der Einführung einfacher Tools an. Führen Sie ein Kanban-Board für Ihre persönlichen Aufgaben. Gehen Sie dazu über, das System mit Ihrem Team für die gemeinsame Arbeit einzuführen. Setzen Sie sich mit Scrum auseinander. Halten Sie kurze Dailys ab. Gestehen Sie sich Fehler zu.

Sorgen Sie für Transparenz, indem Sie beispielsweise ständig von Ihren Ergebnissen (Inspect & Adapt) berichten und Ihr Kanban-Board gut sichtbar aufhängen. Kollegen aus den anderen Abteilungen werden neugierig nachfragen, was Sie denn da tun. Die Erfahrung zeigt: Wer die Funktionsweise von solchen Tools gesehen und verstanden hat, ist meist schnell überzeugt.

Vielleicht gibt es ja schon Kollegen in anderen Abteilungen, die agil arbeiten? Schließen Sie sich zusammen und gründen eine Agile-Task-Force, um sich regelmäßig über Erfahrungen, neue Entwicklungen und künftige Maßnahmen auszutauschen.

Mit diesen einfachen, aber regelmäßigen Schritten werden sie mittelfristig sichtbare Erfolge in der Transformation zur Agilität haben. Versuchen Sie nicht, das ganze Unternehmen mit einem Big Bang zu ändern.

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