[no_toc] Ronny Lindenau, Program Manager bei T-Systems Multimedia Solutions GmbH, spricht im bvik-Interview über die Bedeutung von E-Commerce als neuen Kundenservice im B2B und zusätzlichen Vertriebskanal. Er erläutert, wie digitale Vertriebswege bei T-Systems umgesetzt werden und mit welchen Herausforderungen Unternehmen dabei konfrontiert werden.
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bvik: Lieber Herr Lindenau, Sie haben bereits im Jahr 2017 im Rahmen einer bvik-Veranstaltung bei der J. Schmalz GmbH B2B-Unternehmen eine Öffnung in Richtung E-Commerce-Plattformen empfohlen. Wie ist der deutsche Mittelstand mittlerweile in diesem Bereich aufgestellt?
Ronny Lindenau: In den letzten drei Jahren hat sich etwas im deutschen Mittelstand getan. In einigen Branchen haben Marktteilnehmer entsprechende Projekte umgesetzt und wir erleben häufig die Situation, dass die Marktbegleiter auf diese Vorreiter schauen und dann vereinzelt nachziehen. Oftmals können unsere Kunden dies auch sehr genau benennen, denn bei diesen Fällen wird der Vertrieb damit konfrontiert, dass man doch beim Wettbewerb auch online bestellen kann. Es gibt aber nach wie vor viele Unternehmen, bei denen jede Bestellung ausschließlich über klassische Wege und mit vielen manuellen Handgriffen erfolgt – frei nach dem Motto „Das haben wir schon immer so gemacht“.
Was sind nach Ihrer Erfahrung die größten Ängste und Herausforderungen bei B2B-Entscheidern, den Schritt in Richtung E-Commerce und damit zusätzlicher digitaler Vertriebswege zu gehen?
Lindenau: Lassen Sie mich ein paar immer wiederkehrende Fragen herausgreifen und beantworten:
- Werden unsere Kunden den Online-Shop annehmen?
Ja, das ist ein Prozess bei den Kunden, aber auch in den Unternehmen selbst. Die Nutzung wird Stück für Stück steigen unter anderem, weil in den Unternehmen ein Generationswechsel stattfindet. Da sitzen dann Leute, die mittlerweile nahezu alles online bestellen. Wir haben Kunden, bei denen zwischen 15 bis 60% der Bestellungen und Self Services online getätigt werden.
Aber auch der Service-Anteil kommt in der Betrachtung immer zu kurz. Es handelt sich nicht nur um einen Vertriebskanal, sondern auch um einen Servicekanal. Wie häufig werden auf Kundenanfragen hin noch einmal Rechnungen und Lieferscheine verschickt oder der Status einer Bestellung abgefragt. Dazu kommen Retouren und Service-Prozesse. Mit den Self-Service-Bereichen der E-Commerce-Plattformen kann ich den Kunden zu jeder Tages- und Nachtzeit in die Lage versetzen, sich Auskünfte und Services selbst zu beauftragen, was zu einer Entlastung des Vertriebs führt.
- Wie wird unser Vertrieb damit umgehen?
Der Vertrieb ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Einführung einer E-Commerce-Plattform. Wir empfehlen, die Mitarbeiter so frühzeitig wie möglich in den Prozess einzubinden, denn der Vertrieb kennt die Abläufe und Wünsche der Kunden am besten. Es bedarf eines gleichen Verständnisses dafür, wie die E-Commerce-Plattform den Vertrieb am besten unterstützt. Wir erleben öfter, dass der Vertrieb selbst zum Nutzer der E-Commerce-Plattform wird, wenn er beispielsweise die mündlich oder per E-Mail getätigten Bestellungen der Kunden anstelle in der Warenwirtschaft nun im Online-Shop erfasst. Auch bei der Adaption der Plattform bietet es sich an, dass der Vertrieb aufzeigt, wie die Plattform zu nutzen ist, damit der Kunde seine Bestellung selbst problemlos und schnell hinbekommt, auch ohne anzurufen.
- Wie stellen wir sicher, dass die Kosten nicht explodieren?
Wir übernehmen immer wieder bereits zeitlich und kostenmäßig aus dem Ruder gelaufene Projekte. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass die Probleme schon vor dem Projektstart existiert hatten, denn da wurde im Detail nicht genau erfasst, was das Ziel bei der Shop-Lösung war. Viele Kunden haben tatsächlich keine ganz klare Vorstellung davon, aber da kann man sich Stück für Stück herantasten. Mit unserem “B2B-Shop-Now”-Ansatz haben wir die Erfahrungen aus bisherigen Projekten in eine vorkonfigurierte Lösung überführt, die wir mit einem bewährten Projekt-Ansatz untermauert haben. Wir nehmen unsere Kunden also vom ersten Telefonat an die Hand und betreuen sie auch über den „Go-Live“ hinaus. Denn dann geht die Arbeit erst richtig los.
Zeit zu warten ist nun eigentlich nicht mehr. Wird die Corona-Krise hier aus Ihrer Sicht die Grundhaltung zum Thema E-Commerce verändern?
Lindenau: Wir erleben bei vielen Unternehmen aktuell die Turbo-Digitalisierung, was die Art des Arbeitens angeht. Homeoffice, was früher oft undenkbar war, muss auf einmal funktionieren. Für viele Unternehmen geht es aber auch um das pure Überleben. Viele geplante Projekte und Maßnahmen wurden auf den Prüfstand gestellt und Investitionen werden noch kritischer nach deren Nutzen betrachtet.
Provokant gefragt: Wird der Vertrieb in Zukunft durch Online-Shops überflüssig?
Lindenau: Nein, auf gar keinen Fall. Ich vergleiche das immer gern mit einem Einkauf bei Ikea. Je nach persönlicher Präferenz und den zu kaufenden Produkten kann ich mich für die Kasse mit Personal oder die Selbstbedienungskasse entscheiden. Kaufe ich nur schnell ein paar Servietten oder Gläser, bieten sich die Selbstbedienungskassen an. Habe ich eine Küche und weitere komplexere Artikel auf dem Wagen, ist aufgrund bestimmter Schritte, die Kasse mit Personal die einzige Option. Die Selbstbedienungskassen erfüllen aber noch einen weiteren Sinn, denn sie sparen wichtige Ressourcen ein. Im B2B-Geschäft verhält es sich ähnlich. Für beratungsintensive Produkte und Leistungen sowie die Pflege der Kundenbeziehung benötigen wir die Mitarbeiter im Vertrieb. Ersatzteile, Verbrauchmaterialien bis hin zu standardisierten Produkten, bei welchen der Käufer genau weiß, was er braucht, können online bestellt und in großen Teilen auch automatisch prozessiert werden.
Wie verändern digitale Marktplätze und die Einführung von Online-Shops die Zusammenarbeit von Vertrieb und Marketing? – Hier gibt es seit jeher ja Schwierigkeiten und Konkurrenzdenken.
Lindenau: Online-Shops und Marktplätze sind weitere Vertriebskanäle, die auch bewirtschaftet werden wollen und müssen. Hier müssen Marketing und Vertrieb Hand in Hand arbeiten und agil auf Customer Journeys reagieren. Es geht darum, die Prozesse genau zu analysieren, anzupassen und die Usability damit immer weiter zu optimieren. Bei einem klaren Commitment zu den Zielen des Webshops funktioniert dies nach einer anfänglichen Gewöhnungsphase meist sehr gut, denn beide Seiten profitieren davon.
Ihre Plattform für den B2B-Bereich ist brandneu. Was war der Grund für T-Systems, in diese Sparte zu investieren und Online-Shop-Lösungen speziell für Industrieunternehmen anzubieten?
Lindenau: Wir hatten schon länger die Idee eines Online-Shop-Start-Angebots für Industrieunternehmen, bei dem viele Komponenten schon vorgedacht wurden und Unternehmen somit von unseren jahrelangen Erfahrungen profitieren. Denn viele Firmen fangen bei null an und wissen oft gar nicht, was zu tun und worauf zu achten ist. Gespräche mit Industrieunternehmen zeigten dann zu Beginn der Corona-Maßnahmen einen konkreten Bedarf. Bei einigen Kunden saßen der Vertriebsaußen und -innendienst auf einen Schlag komplett im Homeoffice – im schlechtesten Fall zusätzlich eingespannt mit der Kinderbetreuung. Auf deren Kundenseite zeichnete sich gegebenenfalls das gleiche Bild, sodass sich Bestellungen aufgrund dessen stark verzögerten. Der Vorteil einer Shop-Lösung liegt darin, dass Bestellungen zu jeder Tages- und Nachtzeit abgesetzt werden können. Durch den Austausch mit der Warenwirtschaft werden manuelle Prozesse deutlich reduziert.
Das B2B-Marketing arbeitet erfolgs- und zahlengetrieben. Welche KPIs liefert ein eigener Online-Shop und wie können Unternehmen diese für die Weiterentwicklung ihrer Marketing-Strategie nutzen?
Lindenau: Online-Shops bieten von Haus aus mittlerweile sehr gute Reporting-Möglichkeiten, die eine Erfolgsmessung von Maßnahmen erlauben. Bewerbe ich ein Produkt im Online-Shop oder per Newsletter, kann ich mir den Erfolg der Maßnahme schnell im Online-Shop auswerten lassen. Ich sehe aber auch, welche Produkte nicht so gut laufen und kann diese durch gezielte Maßnahmen wieder ankurbeln. Man muss jedoch ehrlich sein: Beim Kauf von Ersatzteilen greift diese Logik nicht, denn hier gibt es oftmals einen akuten Bedarf, bei dem Newsletter und Werbung im Online-Shop keine Rolle spielen. Dennoch sollten B2B-Unternehmen E-Commerce als weitere Form des Kundenservice nutzen!