Wie viel Marke braucht der Mittelstand?

Marke und Mittelstand. Die Geschichte aufdringlicher Werber, die mit einem scheinbar „unverzichtbareren“ Tool hausieren gehen? Oder die Geschichte verpasster Chancen markenlethargischer Mittelständler?

Tobias Bartenbach, Bartenbach AG
Gründer und Vorstand

Tobias Bartenbach ist Gründer und Vorstand der GWA-Agentur Bartenbach AG sowie Chairman des europäischen Agenturnetzwerks Nexxus. Seit 25 Jahren beschäftigt er sich mit der Markenbildung für B2B-Kunden. Betreut werden ausschließlich B2B-Kunden, Großunternehmen ebenso wie KMU.
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Welche Perspektive man auch einnimmt, fest steht: Bei Fragen rund um die Marke knirscht es. Besonders im B2B-Gebälk der Agentur-Kunde-Beziehungen. Man ärgert sich. Die Agentur über den Kunden, die Markenarbeit nicht als Grundlage für Strategie und Kommunikation begreift. Der Kunde über die Agentur, die sich nicht für zeitkritische Aufgaben, sondern ein vermeintliches Luxusproblem interessiert.

Man ist immer eine Marke, bloß welche?

Von Luxusproblemen spricht man seitens der Unternehmen gern zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt – wenn die Geschäfte nichts zu wünschen übriglassen. Die Auftragsbücher sind voll, neue Kräfte werden gesucht und der Vertrieb ist endlich mal zufrieden. Warum in einer solchen komfortablen Situation an Marke denken? Die einfache Antwort: Weil es ohne ein wirklich differenzierendes Markenbild nicht geht. Austauschbarkeit ist kein Argument, das für das eigene Unternehmen spricht. Weder beim Kampf um neue Fachkräfte noch in Zeiten der Rezession, wenn nicht mehr alle auf der Konjunkturwelle mitschwimmen können. Hinzu kommt: Marke ist die Summe aller Interaktionen, die ein Geschäftspartner, ein Kandidat, ein Mitarbeiter mit einem Unternehmen hat. „Beschränken Sie Ihr Bild von uns auf den netten Kontakt mit Herrn Sowieso und vergessen Sie mal unsere Website!“ – das ist eine Bitte, der keiner nachkommen wird. Kurz, was Anspruchsgruppen von Ihrem Unternehmen alles zu sehen bekommen, können Sie nicht beliebig steuern. Aber welche Konsistenz und Qualität Ihr Gesamtauftritt hat, sehr wohl.

Bringen KMU gute Voraussetzungen für Markenbildung mit?

KMU-Mitarbeiterzahlen sind meistens überschaubar. Das erleichtert es enorm, Markenprozesse zu implementieren und umzusetzen. Ein Stichwort: Internal Branding. Verglichen mit einem Konzern sind es einfach weniger Mitarbeiter, die sich markenkonform verhalten müssen, um ein einheitliches Bild der Marke zu etablieren. Zweitens, Identifikation und Motivation: Dank der oftmals familiäreren Strukturen sind KMU-Mitarbeiter im Schnitt ausgesprochen bereit, „ihr“ Unternehmen zu unterstützen. Weiterer Punkt: Markenführung ist Chefsache. Aufgrund der einfacheren und transparenteren Strukturen fällt es KMU leichter, die nötige „Top-down-Strategie“ zu fahren. Und deren Erfolg auch zu kontrollieren.

Müssen Agenturen sich mal kräftig an die eigene Nase fassen?

„Ein bisschen Marke gibt es nicht!“, wird gern von B2B-Agenturen gepredigt. Richtig. Nur, werden sie diesem ganzheitlichen Anspruch gerecht? Was ist ihr Beitrag zu einer fundierten Markenbildung und -führung? Zunächst mal eine Selbstverständlichkeit – Markenworkshops bieten, die ihr Geld wert sind. Mit Tools State of the art. Mit Ergebnissen, die eine neue Sicht auf die Marke eröffnen. Mit Markenattributen, die wirklich abbildungsfähig sind. Und in der Umsetzung eindeutig identifizierbar. Kurz, mit professioneller Arbeit, die Markenidentität, Positionierung und Umsetzung sauber durchdekliniert.

Mit welcher Haltung begegnen KMU und Agenturen dem Thema Marke?

Zum Abschluss noch ein kleiner Ausflug auf das immer etwas rutschige psychologische Parkett. Im Kern geht es bei Markenprozessen um ein besonders hohes Maß an Kontrolle. Und das Pendant: die Angst vor dem Kontrollverlust. Agenturkunden befürchten unter anderem, die Konsequenzen eines neuen Markenauftritts nicht absehen zu können. Und ihre gesamte Kommunikation aufs Spiel zu setzen. Agenturen befürchten, dass ihr Kunde die Markenausrichtung nicht so stringent verfolgt wie nötig. Und der Erfolg der Marke geschmälert wird. Was hilft? Nüchtern betrachtet, gilt: Es gibt kein 100-Prozent-Rezept. Ein guter Indikator für B2B-Kunden sind aber zum Beispiel die Auftritte der favorisierten Agenturen. Eine Agentur, die sich selbst im Idealfall, also ohne Einschränkungen von außen, nicht zu einer Marke machen kann, kann dies auch nicht für einen Kunden leisten. Und das werden dann auch die Beispielarbeiten für andere B2B-Kunden nicht vertuschen können.

Zu guter Letzt: Es gibt keine Statistik über Irritationen der Agentur-Kunde-Beziehungen. Aber es gibt wohl keinen Zweifel daran, dass Fragen rund um die Marke zu den Top-Streitpunkten gehören – weit hinter Pricing natürlich. Wäre es da nicht schön, wenn beide Seiten der Marke die ihr zustehende Aufmerksamkeit schenken würden?

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