Künstliche Intelligenz im Marketing – Teil 4
Alle reden über Künstliche Intelligenz (KI) im Marketing. Aber wer setzt sie wirklich schon ein, wann ist es sinnvoll, welche Best Practice Beispiele gibt es und wie wird KI die Marketingwelt verändern – in einem vierteiligen Blogbeitrag erklärt die Marken- und Marketingexpertin Prof. Dr. Claudia Bünte, was Marketeers über KI wissen sollten.
Inhaltsverzeichnis
Teil 4: Best-Practice-Tools und praktische Tipps für die ersten Anwendung von Künstlicher Intelligenz
Kurz nochmal das Wichtigste aus Teil 3 zusammengefasst, um den anschließenden Use Case besser einordnen zu können: Typischerweise kennen wir fünf Kernaufgaben im Marketing: Den Kunden oder die Zielgruppe so tief es geht verstehen (Consumer Insights); die Marken- und Marketing/Sales-Strategie daraufhin ableiten (Strategie); das eigene Angebot an Produkten und Services daraufhin aufbauen oder optimieren (Angebot); die Marketing und Salesaktivitäten operativ planen und durchführen (Exekution); den Erfolg der Maßnahmen kontrollieren und notfalls anpassen (Performance Management).
An dieser Stelle nach dem Beispiel vom vorigen Beitrag (Use Case Epson/Eyquant, siehe Teil 3 des Blogs) noch ein zweiter relevanter Use Case für Marketing-Manager: Wie steuere ich Online-Kampagnen mit KI, um mein Budget so sinnvoll wie möglich einzusetzen?
Use Case Exekution: Optimierte Kampagnenbudget-Allokation
Wann ist der Case interessant?
- Wenn nur ein begrenztes Budget für Werbung vorhanden ist.
- Wenn ein begrenztes Fachwissen zum Thema taktisches Online-Kampagnenmanagement im Team vorhanden ist.
- Wenn regelmäßig online-Kampagnen geschaltet werden müssen
Die Herausforderung
Cosabella ist eine hochwertige Dessous-Marke aus Italien mit einem weltweiten Vertrieb und insgesamt 90 Vollzeit-Mitarbeitern, sechs davon im Marketing. Die neue Unternehmensstrategie zielt auf die Ausweitung der bisherigen Vertriebsstrategie vom exklusiven Großhandelsvertrieb auf direkte Online-Verkäufe an B2C ab. Für das Marketing-Team ergibt sich damit unmittelbar die (neue) Aufgabe im Bereich digitales Marketing: Ein Online-Shopsystem muss entwickelt, taktische Kampagnen via Internet müssen geplant und durchgeführt werden. Fachwissen und Erfahrungen mit digitalem Marketing sind innerhalb des Unternehmens allerdings begrenzt und die bisherige Leistung der aktuellen Digitalagentur zeigt nur wenig positive Ergebnisse bei den bisherigen Social-Media-Kampagnen.
Die Lösung
- Cosabellas Marketing-Team recherchiert verschiedene Anbieter, u. a. auf Konferenzen mit klarem KI-Fokus und diskutierten die eigenen Herausforderungen mit KI-Dienstleistern, um einen Überblick über verfügbare Tools für digitale Marketingkampagnen zu erhalten.
- Cosabella entscheidet sich, “Albert” zu testen – Albert ist eine Online-Plattform für digitale Kampagnen.
- Cosabella legt KPIs, Budget, und Inhalt sowie Visualisierungen der Kampagne fest.
- Albert analysiert das Verhalten der User und findet Muster wie Such- und Kaufverhalten.
- Albert optimiert daraufhin Kampagnen über A/B-Tests, ermöglicht Kanal- und ROI-Analysen, verbessert die Budget-Effizienz und verhandelt automatisch Media-Käufe
- KI-Software ist in alle Online-Konten von Cosaballa integriert, wie z. B. wie Google Analytics, Facebook, Adwords.
Die Wirkung
12 % weniger Werbeausgaben, 335 % höherer Return on Advertising Spend nach drei Monaten, 20 x höhere Verkäufe über Social-Media-Kanäle und 155 % mehr Umsatz, allerdings bei vergleichsweise niedriger Ausgangsbasis. Da diese Zahlen extrem hoch erscheinen, wurden sie explizit noch einmal in einem Interview mit dem CEO von Cosabella, Guido Campello, verifiziert.
Was ist daran KI?
- Das Programm “Albert” nutzt einen Algorithmus, der aus den gesammelten Daten des jeweiligen Kunden lernt und Anregungen für eine bessere Verwendung des Budgets gibt, automatisch Medien einkauft und Inhalte von Micro-Kampagnen autonom leitet.
Was können Marketing-Manager aus diesem Case lernen?
- Es gibt Lösungen für kleine Unternehmen, die „hands-on“ sind, keine Spezialkenntnisse erfordern und schnell sichtbaren Impact haben.
- Die Auswahl des passenden Partners muss sehr sorgfältig erfolgen.
Handlungsempfehlungen für die eigenen ersten KI-Schritte in Marketing und Vertrieb
Aus der Studie mit Marketing-Managern und den Use Cases ergeben sich einige praktische, sinnvolle Hinweise für die eigene Nutzung von KI.
1. Erst das Ziel, dann das Mittel zur Zielerreichung definieren
Auf Konferenzen, in Artikel und Diskussionen zum Thema Künstliche Intelligenz kann man den Eindruck gewinnen, dass KI als Lösung für viele Management-Herausforderungen gesehen wird. Und es scheint schick, sagen zu können, man arbeite „auch schon mit KI“. Dabei gilt auch in diesem Fall wie immer: Erst das Ziel, dann die Strategie, dann die Mittel festlegen. Einfach KI zu nutzen, weil es alle machen, wäre fatal, wird viel Geld kosten und wenig Wirkung zeigen. Schlimmer: Wenn das Team erst einmal frustriert ist in Bezug auf Möglichkeiten von KI, wird ein zweiter Anlauf ungleich schwieriger werden.
Praxistipp 1: KI muss zu Ihrem Marketing- und Vertriebsziel passen sowie zur Strategie – nutzen Sie KI nicht, nur um es zu nutzen
2. Wenn KI, dann richtig – und zur Value Proposition der Marke passend
Ein bisschen KI einzusetzen, wäre nicht zielführend. KI ist zunächst eine weitere Verbesserung der Tools für Marketing- und Vertriebsmanager/innen, ihre internen Prozesse besser und effizienter zur organisieren und/oder besser und schneller mit den Kunden zu interagieren, also im besten Fall mehr zu verkaufen. Der Einsatz von KI gerade in der Außenaufgabe des Marketings und Vertriebs mit Kunden sollte helfen, diese Aufgabe effizienter oder besser zu machen. Dabei ist es wichtig, welche Erwartungen der Kunde an das jeweilige Unternehmen oder die Marke hat. Wichtig ist, dass auch mit KI als Unterstützungssystem so umgegangen wird, wie es zur Marke oder zum Unternehmen passt. Das setzt voraus, dass die Marketingabteilung sich nicht blind auf KI verlässt und, wie immer im Management üblich, den Output pilotiert, verbessert und kontrolliert.
Praxistipp 2: Setzen Sie KI passend zu Ihrem Markenversprechen ein und gleichen Sie die Leistung der von KI unterstützten Prozesse mit der Erwartung der Kunden ab.
3. KI ist noch in Inseln organisiert – aber das Warten auf die perfekte Lösung wäre falsch
Obwohl viele große Marketingtool-Anbieter an integrierten Lösungen arbeiten, sieht die KI-Landschaft für den Marketing-Manager aktuell noch recht unübersichtlich aus. Viele Anbieter, viele Teillösungen, nicht immer in schon bestehende Prozesse, Tools und Systeme integrierbar – sondern vielmehr als Inseln organisiert. Verkürzt könnte man sagen, KI im Marketing steckt noch in den Kinderschuhen. Das Thema Künstliche Intelligenz entwickelt sich allerdings sehr schnell weiter. Und 55 % der Marketing-Manager rechnen damit, dass KI in drei bis fünf Jahren entscheidend sein wird für die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens (Bünte, S. 10). Wer wartet, überlässt dem Wettbewerb das Feld.
Praxistipp 3: Warten Sie nicht auf die perfekte Lösung Ihrer Dienstleister, probieren Sie so früh wie möglich selber aus
4. Damit das Marketing-Team Lust auf KI hat, braucht es erste, schnelle Erfolge
Viele Mitarbeiter sind im Marketing oder im Vertrieb, weil sie die Kreativität und die ständige Anpassung an Kundenwünsche lieben, und ggf. auch, weil Daten und Mathematik nicht unbedingt in ihrer Komfortzone liegen. KI basiert auf Daten. Die Algorithmen, die KI nutzt, um zu lernen und sich zu optimieren, sind also durchaus mathematisch anspruchsvoll. Viele Marketingmitarbeiter sind ggf. nicht unbedingt willens, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Damit KI dennoch sinnvoll eingesetzt wird und die notwendige Wirkung bringen kann, ist es wichtig, dass die ersten Schritte, KI zu nutzen, in einem Marketing- oder Vertriebsteam für alle sichtbar einfach und erfolgreich sind.
Praxistipp 4: Starten Sie Ihre KI Roadmap mit schnellen, leicht zu erreichenden Meilensteinen, damit Ihr Team erste Erfolgserlebnisse hat.
5. Nicht immer ist KI die beste Lösung
KI benötigt viele und hochwertige Daten, um lernen zu können. Es gibt Industrien – häufig im B2B – in denen diese hohe Anzahl an Daten nicht vorliegt, oder die Qualität nicht ausreicht. Wie auch in der Marktforschung gilt „bullshit in, bullshit out“. Gegbenenfalls sind herkömmliche Verfahren, mit den vorhandenen Daten zu arbeiten, weiter die beste Lösung. KI muss nicht immer die beste Lösung sein, sondern ist im Einzelfall zu entscheiden.
Praxistipp 5: Prüfen Sie die Datenqualität und die Datenmenge. Wenn diese nicht gut genug ist, optimieren Sie lieber bisherige Ansätze weiter
6. KI ändert sich schnell weiter, Verträge sollten daher dynamisch sein
KI wird sich sehr schnell weiterentwickeln. Es ist daher wichtig, eine gewisse vertragliche Flexibilität mit KI-Anbietern zu vereinbaren, um möglichst zeitnah Anpassungen vorzunehmen – etwa, wenn die Performance der KI hinter den Erwartungen zurück bleibt, wenn ein anderer Anbieter stärker integrierte Tools offeriert, oder wenn im Marketingteam Anpassungen vorgenommen werden und mehr oder weniger der KI-betreuenden Aufgaben anfallen.
Dazu gehört auch, dass Sie KPIs festlegen, was die KI-unterstützte Leistung für Sie bringen soll. Zwar hat sich in den letzten Jahren auch im Marketing Performance Management als einer der Kernsteuerungselemente eingebürgert, und je nach Branche ist dies schon mehr oder weniger anspruchsvoll umgesetzt. Aber es gibt noch genügend Unternehmen, die ihre Marketingaktivitäten nicht regelmäßig und strukturiert auf Impact messen. Dies liegt auch an der vorhandenen Datenqualität und der Branche. Was im e-Commerce bereits Usus ist (siehe z. B. Criteo, die nur erfolgsbasiert und messbar arbeiten), ist in B2B-Unternehmen mit viel offline-Marketing teilweise noch nicht möglich.
Praxistipp 6: Gehen Sie eine KI-Ehe auf Zeit ein. Halten Sie Verträge mit KI-Anbietern so flexibel, dass Sie den Anbieter wechseln können, wenn Sie mit dem Impact nicht mehr zufrieden sind, oder Sie verschiedene Inseln miteinander verknüpfen können. Und definieren Sie den von Ihnen gewünschten Impact an die-KI-Leistung.
7. KI unterstützt, aber ersetzt nicht
KI ist im besten Fall ein Unterstützungssystem, dass die Aufgabe und den Alltag im Marketing besser macht. Ein sehr wirkungsvolles, wenn es richtig eingesetzt wird und mit potenziell besseren Ergebnissen, wie die Use Cases zeigen. Aber eben nur ein Unterstützungssystem. Es bleibt weiter in der Verantwortung des Managers oder der Managerin, die notwendigen Managemententscheidungen selber zu treffen. Dies konnte ihnen der Taschenrechner nicht abnehmen, nicht das Internet und auch KI wird es nicht können.
Praxistipp 7: Nutzen Sie KI als Unterstützung – lassen Sie sich nie die Entscheidung für die Managementrichtung abnehmen
FAZIT
Zusammenfassend ist KI aus der Marketing- und Vertriebsbrille betrachtet eine Weiterentwicklung möglicher Automations-Systeme, die helfen, entweder intern besser zu arbeiten oder die Produkte und Angebote der eigenen Firma möglichen Kunden besser, schneller und individueller anzubieten. Wenn Sie KI gedanklich als Tool behandeln, das Sie und Ihre Teams besser machen kann, entzaubert sich das Modewort KI. Es kann und sollte mit den üblichen Managementmethoden gesteuert werden: Ziel und Strategie vor Toolauswahl, Einsatz passend zur eigenen Marke und eine sinnvolle Budget/Performance-Kontrolle!
Für mehr Details:
Kostenloser Download zur Studie: Künstliche Intelligenz – die Zukunft des Marketings: http://t1p.de/studieki
Zum Mitmachen – exklusiv für Marketingmanager:
Welle 2 der Erhebung „KI im Marketing“ – hier mitmachen: https://goo.gl/forms/zfqKqbxPLYovLBBy2
Neues Sachbuch mit vielen Praxistipps:
“Künstliche Intelligenz – die Zukunft des Marketing” (ISBN: 978-3-658-23318-1)
Das Essential ist ein Leitfaden mit hohem Praxisbezug, konkrete Cases ordnen verschiedene Einsatzgebiete von Künstlicher Intelligenz im Marketing ein.