Generationen-Disput: Die Jungen laufen schneller – die Alten kennen die Abkürzungen

Verschiedene Studien zeigen, dass es in der jüngeren Vergangenheit keinen Zeitpunkt gab, wo sich die verschiedenen Generationen so gut verstanden haben wie heute – in der Freizeit. In der beruflichen Sphäre gibt es einige Herausforderungen, die Helmut Muthers in seinem Blog-Beitrag beschreibt.

Helmut Muthers, (www.helmutmuthers.com)
Professioneller Redner, Berater und Autor

Helmut Muthers ist Betriebswirt, war Bankvorstand und Sanierer mittelständischer Banken. 1994 gründete er das MUTHERS INSTITUT. Er ist Landes-Geschäftsführer Rheinland-Pfalz des Bundesverbandes Initiative 50plus e.V. und Expert-Member des Club 55 (Europäische Gemeinschaft von Marketing- und Verkaufsexperten). Helmut Muthers ist Autor, Mitautor und Herausgeber von 24 Fach- und Hörbüchern. Seit mehr als 18 Jahren fokussiert sich Helmut Muthers auf den Unternehmenserfolg bei älteren Kunden und Mitarbeitern. Er gehört zur älteren Generation, kennt die Folgen der demografischen Veränderungen aus exakt dieser Perspektive. Mit mehr als 1.700 Auftritten gehört Helmut Muthers zu den gefragtesten Rednern zu den Chancen der gesellschaftlichen Alterung. Bildquelle: privat

 

In den meisten Verwaltungen sind heute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus vier, manchmal fünf, Generationen tätig. Sie zeichnen sich durch unterschiedlichste Persönlichkeitsmerkmale, Werte, Gewohnheiten und Lebenseinstellungen aus. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie kommen die so unterschiedlichen Menschen miteinander klar?

Babyboomer

Für die Babyboomer (zwischen 1950 und 1965 geboren) war die Arbeitswelt von Disziplin, Geld und Status geprägt. In diesem Kontext haben sie – meist mit Mittlerer Reife oder Hauptschulabschluss – ihr Berufsleben in den 1960ern und 1970ern begonnen und erlebt. Die meisten sind mit „Befehl und Gehorsam“ – widerspruchslos – geführt und wurden mit wachsendem Einkommen und Statussymbolen bei Laune gehalten. Ihr Aufstieg war mit Privilegien gepflastert: Bürostuhl mit Lehne, Heizkörperverkleidung, Gardinen am Fenster oder dem eigenen Parkplatz. Dafür waren die meisten Babyboomer bereit, auch 50 oder 60 Stunden in der Woche zu arbeiten. Zu den damals ungeschriebenen Gesetzen gehörte auch, dass man mindestens vier Jahre beim gleichen Arbeitgeber blieb. Lebensläufe mit häufigen Stellenwechseln wurden eher als Hinweis auf Sprunghaftigkeit und Unzuverlässigkeit verstanden. In den nächsten 15 Jahren gehen die meisten Babyboomer – die in weiten Teilen heute die Führungspositionen besetzen – in Rente/Pension.

Generation Y

Demgegenüber steht die Generation Y. Sie treibt mit ihrem Mindset eine völlig andere Arbeitskultur und eine Revolution der Arbeitswelt (New Work). Die Meinungen über die Jugend von heute klaffen weit auseinander und die Liste der Vorurteile über sie ist lang. Sie gelten oft als anspruchsvoll, respektlos, verwöhnt, egoistisch und sogar faul. Sie wissen, was sie wollen und was sie nicht wollen. Hierarchien lehnen sie ab. Und statt Leistung zu bringen, stellen sie erst einmal Forderungen auf. Sie halten sich für die Wichtigsten und statt zu arbeiten, surfen sie lieber den ganzen Tag in den sozialen Medien.

Andererseits sind sie neugierig, fordernd und flexibel. Generation Y nennt man sie, weil sie immer wieder nach dem „Warum“ fragen. Sie wollen nicht nur eine Stelle, sie wollen eine sinnvolle Arbeit, keine Karriere um jeden Preis und ein Stück Selbstverwirklichung, statt sich zugrunde zu arbeiten. Natürlich wollen sie gut bezahlt sein, sind aber nicht bereit, ihre Freizeit zu opfern. Zick-Zack-Lebensläufe sind für sie die Normalität und wenn die Voraussetzungen nicht stimmen, suchen sie sich schnell eine andere Beschäftigung.

Fakt ist, dass vor dem Hintergrund der massiven demografischen Veränderungen – gerade in den Verwaltungen – auf keine der Generationen verzichtet werden kann und ihre spezifischen Fähigkeiten mehr denn je gebraucht werden.

Die verschiedenen Generationen und ihr Potenzial

Menschen über 60 oder 70 Jahren fühlen sich heute rund 15 Jahre jünger – und sie denken und verhalten sich auch so. Das Bild der Älteren ist also eher cool, fit und selbstbewusst. Wer Menschen mit 65/67 Jahren in den Ruhestand schickt, sollte sich bewusst sein, dass diese Menschen sich wie Mitte 50 fühlen. So werden wertvolle Fähigkeiten und Erfahrungen aussortiert und verschwendet. Denn viele ältere Arbeitnehmer wollen durchaus noch etwas tun, manchmal auch aus finanziellen Gründen.

Ältere Menschen waren auch schon jung – jüngere Menschen aber noch nie alt. Jeder hat deshalb völlig unterschiedliche Fähigkeiten und Erfahrungen, die weder besser noch schlechter, sondern einfach nur anders sind.

Auch ältere Arbeitnehmer sind wertvoll

Aufgrund des demographischen Wandels fehlen in vielen Bereichen Fach- und Führungskräfte – in Industrie und Handwerk, aber eben auch in der Verwaltung oder als Lokführer, Lehrer, Polizisten, Kindergärtnerinnen, Pflegekräfte, Ärzte usw. Bis 2030 werden rund 20 Millionen Beschäftigte in Rente gehen. Diese Stellen werden durch Nachwuchskräfte nicht mehr ausgeglichen.

Ältere Menschen sind durchaus leistungsfähig und sind mit ihrer Erfahrung und Souveränität, ihrer Gelassenheit und Motivation eine große Bereicherung. Gerade aufgrund ihres Alters können sie Menschen und Situationen sehr gut einschätzen und wissen, wie sie Projekte zum Ziel vorantreiben. So gleichen sie die höhere Geschwindigkeit der Jungen sowie deren flexible und kreative Denkweise aus.

Wie halten und gewinnen Sie ältere und jüngere Arbeitnehmer?

Die Voraussetzungen für die verschiedenen Generationen müssen so gestaltet sein, dass die Arbeit Spaß macht. Dazu gehört insbesondere ein hohes Maß an Flexibilität seitens der Führungskräfte, die sich auf die unterschiedlichen Anforderungen individuell einstellen müssen. Ein Führungsstil für alle ist schon lange ein Auslaufmodell.

Dabei spielen ein neues Altersbild und der „Kampf“ gegen eine systematische Problematisierung des Alters eine entscheidende Rolle. Wenn Menschen ab 50 permanent das Gefühl vermittelt wird, dass sie besser ausscheiden sollten („Wie lange musst du denn noch?“ oder „Wann gehst du denn – endlich?“), ist keine Leistungsbereitschaft mehr zu erwarten. Dabei gibt es keine Studie, die beweisen würde, dass mit zunehmendem Alter die Produktivität nachlässt – das Gegenteil ist der Fall.

Generationengerechtes Personalmanagement

Eines der großen Themen unserer Zeit und eine spezifische Herausforderung für das Personalmanagement ist die Digitalisierung. In diesem Zusammenhang ist eine Studie der Rheinischen Fachhochschule Köln (2016) sehr aufschlussreich: Die Verfasser kommen zu dem Ergebnis, dass die digitale Fitness der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 50plus zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft bestimmt. Das digitale Potential der älteren Beschäftigten wird dem zufolge immer wichtiger.

Das Ergebnis dürfte ohne Einschränkungen auch auf die öffentliche Verwaltung zu übertragen sein und sollte unbedingt beachtet werden. Im Grunde ist in den vergangenen Jahrzehnten eine hybride Situation entstanden: Auf der einen Seite werden händeringend junge Menschen gesucht, die digital up-to-date, aber nicht mehr in ausreichender Anzahl verfügbar sind. Anderseits gibt es immer mehr ältere Arbeitnehmer, die diese Lücke kompensieren könnten, aber zuerst digital fit gemacht werden müssen. An dieser Stelle werden die Versäumnisse der Vergangenheit deutlich. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab 50 kaum noch Weiterbildungsangebote gemacht werden, darf man sich nicht wundern, wenn sie schon nach kurzer Zeit kaum noch in der Lage sind, den heutigen – auch digitalen – Anforderungen gerecht zu werden.

Die Ignoranz der demografischen Wirklichkeit ist nachzuvollziehen, vor allem, weil 50-Jährige noch mindestens 17 Jahre arbeiten und die künftigen Herausforderungen ebenso bewältigen müssen wie die jüngeren Beschäftigten. Natürlich kommt die Digitalisierung eher den Bedürfnissen der Jüngeren entgegen. Umso mehr müssen die Älteren aktiv mitgenommen werden, damit sich keine Hoffnungslosigkeit breitmacht. Ihre Motivation ist jedenfalls nicht der Engpass.

Zu einem generationengerechten Personalmanagement gehören natürlich auch eine gezielte Nachfolgeplanung, die Einrichtung von Langzeitarbeitskonten, die Gesundheitserhaltung, verschiedene Arbeitszeit- und Arbeitsorganisationsmodelle (z.B. Teilrente) sowie eben auch eine kontinuierliche Qualifizierungsplanung.

Wie ältere und jüngere Menschen heute ticken und wie man sie für die digitakle Arbeitswelt begeistert, erfahren Sie im gemeinsamen Vortrag von Helmut Muthers und Sarna Röser (Mitglied der Geschäftsleitung und Prokuristin, Röser FAM GmbH & Co. KG) zum Thema Generationen-Disput: Die Jungen laufen schneller – die Alten kennen die Abkürzungen! beim TAG DER INDUSTRIEKOMMUNIKATION (#TIK2019) am 27. Juni im veranstaltungsforum fürstenfeld in Fürstenfeldbruck (bei München).