„Unternehmen müssen die Lebenswelt der Kunden besser machen!“ – Interview Teil 2

[no_toc] Im zweiten Teil des bvik-Interviews macht TIK-Referent Julius van de Laar (Kampagnen- und Strategieberater) deutlich, wie wichtig es ist, dass Unternehmen mit einer Kernaussage kommunizieren und erklärt, wie Hidden Champions zu Gestaltern der Zukunft werden. Außerdem wagt er einen Ausblick auf den Präsidentschaftswahlkampf in den USA.

Julius van de Laar, Webseite von Julius van de Laar
Kampagnen- und Strategieberater

Julius van de Laar ist Kampagnen- und Strategieberater mit langjähriger, internationaler Kampagnenerfahrung. Im US-Wahlkampf 2012 leitete Julius van de Laar hauptamtlich als Regional GOTV Director den Bereich Wählermobilisierung für Barack Obama im wahlentscheidenden Schlüsselstaat Ohio. Zuvor hatte er sich 2007 und 2008 in den USA als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama im Präsidentschaftswahlkampf engagiert.

Heute berät er politische Organisationen, NGOs und Unternehmen in der Entwicklung von Kampagnen sowie deren Umsetzung. Schwerpunkte seiner Arbeit sind strategische, integrierte Kommunikation, Positionierung, Message Development und Storytelling, Mobilisierung und Kampagnen-Management.

Julius van de Laar kommentiert und analysiert regelmäßig aktuelle politische Geschehnisse für führende Medien wie ARD, ZDF, n-tv, WELT, Der Spiegel, FAZ oder Deutschlandfunk. Das Wirtschaftsmagazin Capital zählt van de Laar zu den „Top 40 unter 40 Jahren“ aus dem Politikbereich. Bildquelle: privat

In seiner Masterclass im Rahmen des TIK DIGITAL 2020 hält der Kampagnenexperte seinen Impulsvortrag „STAND FOR SOMETHING, CHANGE EVERYTHING – Mit authentischen Botschaften und emotionalem Storytelling die eigene Zielgruppe mobilisieren.“  und erklärt, wie es in Zeiten permanenter Erreichbarkeit und Überflutung aller Kanäle gelingt, die richtigen Zielgruppen zu erreichen und sie mit Daten getriebenen Kampagnen zu identifizieren und zielgenau anzusprechen. Außerdem tritt er in den interaktiven Austausch mit den Teilnehmern.

 

bvik: Lieber Herr van de Laar, Sie haben gesagt, dass es eigentlich keine Unterschiede zwischen der antiken Heldenreise und dem modernen Storytelling gibt. Aber gibt es Ihrer Meinung nach Alternativen zum sehr komplexen 12-teiligen Schema der Heldenreise, die immer noch im B2B zum absoluten Non-Plus-Ultra des Storytelling zählt?

Julius van de Laar: Die Heldenreise nach Joseph Campbell mit dem Ausgangspunkt der heilen Welt, der Ruf zum Abenteuer, die Weigerung, der Aufbruch eine klare Mission zu haben, die ganzen Hürden und Ziele bis hin zum Sieg über den Antagonisten und die Rückkehr in die heile Welt ist natürlich episch. Sie ist jedoch auf die moderne Kommunikation übertragbar. Das Nutzerverhalten hat sich so stark verändert, dass die Aufmerksamkeitsspanne sehr gering ist. Das bedeutet, dass die Geschichte beziehungsweise Content und Botschaft einen sofort „catchen“ muss, bevor der Nutzer zur nächsten Story springt. Unternehmen könnten die Heldenreise deshalb abwandeln und nicht von der heilen Welt ausgehen, sondern bei einem Problem starten und dem potenziellen Kunden die Lösung für dieses Problem aufzeigen. Als Unternehmen bietet man quasi das Problem und direkt die Lösung hierzu an, sodass der Kunde am Ende wieder der Held ist. Demzufolge kann die Heldenreise auch in wenigen Sekunden erzählt werden, das Schema bleibt jedoch immer gleich.

Wie schätzen Sie die Gewichtung von Strategie und Taktik beim Erzählen der eigenen Story ein – 80 % Strategie, 20 % Taktik? Oder anders herum?

van de Laar: Es ist nicht immer eine Frage von Strategie und Taktik, sondern vielmehr von Authentizität und Rationalität. Der Absender einer Botschaft muss immer authentisch und glaubwürdig auf den Empfänger beziehungsweise die Zielgruppe wirken und seine Vision oder seine Botschaft rational untermauern. Wenn der Absender genau festgelegt hat, welche Rolle er gegenüber dem Empfänger – beispielsweise dem Kunden – einnimmt, ist es leicht, einen Masterplan zu entwickeln und die Kampagnenziele auf einzelne Maßnahmen herunterzubrechen.

Haben Sie einen Tipp für uns: Wie komme ich an die richtigen Botschaften ran und wie unterscheiden sich die Botschaften in den Kanälen?

van de Laar: Es ist elementar wichtig, eine durchgängige Botschaft zu haben und diese auf allen Kanälen entsprechend zu senden. Natürlich muss diese für die unterschiedlichen Kanäle angepasst werden, denn jeder Kanal hat seine Eigendynamik und funktioniert anders. Deshalb muss die Botschaft immer auf den Kanal und die jeweilige Zielgruppe ausgerichtet werden. Wichtig ist jedoch, dass es eine klare Kernaussage gibt. Das sorgt wiederum für Authentizität und Glaubwürdigkeit!


Julius van de Laar ist ein gern gesehener Gast in Diskussionsrunden – seine Botschaften kommen an beim Publikum.

Sie haben einmal gesagt, dass „Verantwortung ist mit der Bereitschaft verbunden, Profil zu zeigen und sich vom Mainstream abzuheben.“. Wie ist das Ihrer Meinung nach für B2B-Mittelstand möglich?

van de Laar: Im Prinzip geht es doch immer um die Grundbedürfnisse des Menschen, die befriedigt werden müssen. Hierbei gibt es keinen Unterschied, ob man im B2C- oder B2B-Bereich unterwegs ist. Die Strategie muss immer vom Menschen aus gedacht werden. B2B-Unternehmen müssen sich also die Fragen stellen: „Was ist meine Zielgruppe?“ und „Welches Bedürfnis will diese befriedigen?“. Die Methode, Profil zu zeigen und sich vom Mainstream abzuheben, unterscheidet sich im B2B nicht vom B2C. Auch der B2B-Mittelstand kann aus dem Mainstream ausbrechen, nämlich indem er seine Botschaft emotional auflädt. Denn auch im B2B machen Menschen untereinander Geschäfte – ein Produkt wird von einem Menschen an einen anderen verkauft. Dies wiederum bedeutet, dass man sich durch klare Botschaften, Emotionalität und Identität von anderen abheben kann. Hierzu müssen die Unternehmen bereit sein.

Wie können sich Marken bzw. Hidden Champions nicht nur zu Gewinnern, sondern auch zu Gestaltern von Zukunft machen?

van de Laar: Jeder Hidden Champion tritt an, weil er der Meinung ist, ein Problem besser lösen zu können als andere das bisher gemacht haben oder machen. Natürlich ist es aber nicht möglich, die Welt durch jedes Produkt oder jede Neuheit grundlegend zu verändern. Diesem Anspruch kann keiner gerecht werden. Jedoch ist es sicherlich ein Ziel, sich vorzunehmen, die Gesellschaft voranzubringen und gewisse Probleme zu lösen. Hierfür ist es aber notwendig, erst einmal zu artikulieren, welche Probleme es gibt. In diesem Zuge bewundere ich die Kommunikationsexperten und-expertinnen, die Lösungen für bereits bestehende Probleme anbieten. Die deutsche Ingenieurkunst geht mit der Prämisse voran „Es gibt kein Problem, das wir nicht lösen können“ – diese Haltung beeindruckt mich und ist genau der richtige Ansatzpunkt! Denn hier wird die Lösung vom Problem aus gedacht. Dabei geht es nicht darum, Lösungen zu für Probleme zu verkaufen, die es möglicherweise gar nicht gibt. Kommunikativ müssen Unternehmen die Probleme verkaufen, für die sie bereits die passende Lösung haben. Aus diesem Verständnis entsteht ein Purpose und die Einstellung, die Lebenswelt des Kunden immer ein Stück besser zu machen.

Zum Schluss noch ein kurzer Exkurs in die Politik. Sie waren im Jahr 2008 enger Wahlkampfberater von Barack Obama. In den USA stehen im November die Präsidentschaftswahlen an. Wie wichtig ist Storytelling bzw. eine emotionale Kampagne in einem politischen Wahlkampf – und ganz speziell in den USA?

van de Laar: Wie schon erwähnt, spielt Storytelling in Politik und Wirtschaft immer eine enorm wichtige Rolle. Die Sehnsucht nach der Befriedigung der Grundbedürfnisse wie Anerkennung, Wertschätzung, Zusammengehörigkeit, Sicherheit und Wachstum ist bei jedem Menschen vorhanden – unabhängig vom Land. Das sieht man daran, dass Michael Bloomberg im aktuellen Wahlkampf die Fragen „Warum ich?“ und „Warum jetzt?“ nicht beantworten konnte, ebenso wenig wie Hillary Clinton 2016 oder auch Martin Schulz im letzten Bundestagswahlkampf. Alle drei haben ihr Ziel nicht erreicht. Das Gegenbeispiel hierzu ist Elon Musk, ohne Tesla zu glorifizieren. Aber ihm beziehungsweise seinem Unternehmen ist es gelungen, genau zu artikulieren: Warum jetzt? – Weil wir absolut eine Revolution brauchen in der Art und Weise wie wir Autos bauen und wie die Antriebsform aussehen soll. Und warum wir? – Weil wir den visionären Ansatz haben, das Know-how besitzen und über das nötige Geld verfügen! Im Endeffekt geht es immer darum, wie ein Sender dem Empfänger eine Botschaft vermittelt und wie der Empfänger mit dem Level an Emotionen umgeht, das ihm geboten wird. Als Absender ist es deshalb enorm wichtig, sich in die Rolle des Rezipienten hineinzudenken und hineinzufühlen.


Der ehemalige Wahlkämpfer für Barack Obama vermutet, dass Donald Trump erneut zum Präsidenten der USA gewählt wird. Wirkliche Prognosen seien jedoch schwer.

Apropos fühlen. Was sagt ihr Gefühl, wer wird die Vorwahl der Demokraten für sich entscheiden und gegen Donald Trump im Kampf um das Weiße Haus antreten? Wer wird der nächste Präsident der USA?

van de Laar: Stand heute gehe ich gehe davon aus, dass Joe Biden die Nominierung der Demokraten bekommt. Die bisherigen Vorwahlen der Demokraten haben gezeigt, dass Biden den meisten Rückhalt hat. Hierbei entscheiden sich die Delegierten für den Kandidaten, der ihrer Meinung nach die größten Chancen hat, Trump zu schlagen. Der Wahlkampf 2016 hat jedoch gezeigt, dass man sich bei Prognosen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollte. Betrachtet man die Historie, so sieht man, dass ein Amtsinhaber in der Regel wiedergewählt wird – lediglich Jimmy Carter und George Bush senior wurden als amtierende Präsidenten nicht erneut gewählt. Ein anderer Aspekt ist die Macht, die von einem solchen Amt ausgeht. Die Fähigkeit, Aufmerksamkeit zu bestimmen, einzufordern und mediale Berichterstattung zu dominieren, hat eben nur der Präsident und sonst niemand. Dies ist ein enormer Vorteil.

Auf der anderen Seite wird der Amtsinhaber auch zum Spielball globaler Ereignisse. Die Bürger projizieren die aktuelle Situation – Covid-19 und natürlich auch die Rezession, die einhergeht – immer auf den Präsidenten. Egal, ob es den Bürgerinnen und Bürgern gut oder schlecht geht, der Präsident ist hierfür verantwortlich. So war ich vor einigen Wochen ganz klar der Meinung gewesen, dass Trump wiedergewählt wird. Im Februar hatten wir in den USA die niedrigsten Arbeitslosenzahlen der vergangenen 50 Jahre und die Wirtschaft läuft gut beziehungsweise lief gut – bis zur Corona-Krise. Präsidenten tragen die Verantwortung im Guten wie im Bösen. Aktuell ist alles extrem volatil und Prognosen – in welcher Hinsicht auch immer – sind unmöglich.

Das Interview führte bvik-Referent Dominik Schubert. Bildquellen: Thomas R. Schumann

 

LESETIPP: „Es muss gelingen Emotionen und Technologie zu verbinden!“ (Interview mit Julius van de Laar – Teil 1)

Im ersten Teil des Interviews mit dem bvik erklärt TIK-Referent Julius van de Laar (Kampagnen- und Strategieberater) warum es für Unternehmen extrem wichtig ist, zu polarisieren und sich von Wettbewerbern abzugrenzen. Außerdem macht er deutlich, dass Emotionen und Technologie Hand in Hand gehen müssen und die Heldenreise die Grundlage für das Storytelling im B2B ist.