Nachhaltiges Wirtschaften beschäftigt die Menschen seit vielen Jahrzehnten, ja Jahrhunderten. Der Begriff geht zurück auf Hans Carl von Carlowitz, Bergmann und Ökonom aus dem 17. Jahrhundert. Wie auch heute war Holz in seiner Zeit ein knapper Rohstoff. Die sächsischen Erzgruben hatten damals einen immensen Energiebedarf, den sie durch Abholzung der Wälder deckten. Carlowitz entwarf in dem Buch „Sylvicultura Oeconomica“ das Prinzip für eine nachhaltige Forstwirtschaft. Man dürfe nur so viel schlagen, wie auch nachwachsen kann – und nannte dies „nachhaltig“.
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Fortschritt verläuft schleppend
Mittlerweile hat sich die Einsicht in vielen Bereichen durchgesetzt, dass sich unsere Art des Wirtschaftens ändern muss. Aber so richtig vorangekommen ist die viel beschworene „Wende“ noch nicht. 50 Jahre nach dem Erscheinen des Berichts vom Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“ gibt es zwar viele kluge Ideen und auch umgesetzte Beispiele für ressourcenschonende Produkte und regenerative Konzepte. Doch der Anteil der Kreislaufwirtschaft ist laut dem Circularity Gap Report 2021 in der Weltwirtschaft 2021 sogar gesunken – auf 8,6 Prozent gegenüber 9,1 Prozent zwei Jahre zuvor. Und nach einem reduzierten Energieverbrauch im Corona-Jahr 2020 erwarten die Experten wieder steigende Zahlen, auch bei fossilen Energieträgern.
Nachhaltigkeit in der Industrie als Marketingthema?
Schneller als der Umbau steigt die Zahl derjenigen, die beim Greenwashing die Nase vorn haben wollen. Laut einer Umfrage der Personalberatung Russell Reynolds geht es vielen Führungskräften nur um den guten Ruf und nicht um eine wirkungsvolle Nachhaltigkeitsstrategie. Jeder zweite Befragte gab an, dass Maßnahmen primär aus Marketinggründen getroffen werden. Verantwortung für die Gesellschaft als Reputationsrisiko und nicht als Zukunftschance. Doch das Thema ist gesetzt und steht inzwischen auch auf der Agenda vieler Vorstände und Geschäftsführer. Ob es an Fridays for Future liegt, dass auch die Kinder von Führungspersonen in der Bewegung mitmachen, oder an Gesetzesvorlagen wie dem Lieferkettengesetz und dem Green Deal der EU sei dahingestellt. Fakt ist, dass die Klimaveränderungen sich nicht schnell regulieren lassen, wie es bei der Finanzkrise den Anschein hatte – und wir insgesamt in unruhigen Zeiten leben. Zu überall und für jeden spürbaren ökologischen Auswirkungen in Form von Fluten, Stürmen, Bränden kommen Artensterben, Hunger, Armut und Krieg hinzu. Wo sollen Unternehmen, die etwas verändern wollen, starten, wo können sie anpacken – und welche Verantwortung haben Marketing- und Kommunikationsmanager bei dieser Herkulesaufgabe?
B2C hat bislang die Nase vorn
Was alle Experten unisono sagen: Zuerst handeln, dann reden! Egal an welchem Aspekt Unternehmen ansetzen, ob in der CO₂-Bilanzierung, bei menschenwürdigen Arbeitsbedingungen oder in der Herstellung gesunder Produkte – immer bedeutet es: analysieren, messen, Ziele setzen und jeden Tag hinzulernen. Viele Unternehmen stehen noch am Anfang ihrer Nachhaltigkeits- und Gemeinwohlbilanz. Andere begannen schon vor Jahrzehnten, als die erste Welle für Corporate Social Responsibility durch die Wirtschaft schwappte, mit Konzepten, gesammelten Daten und veröffentlichten Reports. Vor allem Konsumgüterhersteller aus der Textil-, Lebensmittel-, Gesundheits- und Kosmetikbranche und natürlich dem Mobility-Markt, die im Fokus der Verbraucher stehen, treiben das Thema mit Mut voran. Bekannt für ihre nachhaltige Strategie sind Marken wie dm, Vaude und Ritter. B2B-Unternehmen der Industrie standen bislang weniger im öffentlichen Interesse, tragen jedoch durch ihre Produktion wesentlich zur CO₂-Bilanz und zu global besseren Arbeitsbedingungen bei. Wie kann man die Umweltbilanz für Produkte in der Chemie, bei Baumaterialien oder der Herstellung von Kunststoff und Papier verbessern? Was lässt sich bei Geräten wieder verwerten? Welches Interesse können Elektrohersteller an einer längeren Haltbarkeit entwickeln? Eine harte Nuss nehmen sich Unternehmen vor, die Ressourcen wie Kupfer oder seltene Erden für ihre Produktion benötigen.
Vom Dialog auf Augenhöhe zur Nachhaltigkeitsstrategie
Angesichts solch knackiger Themen steht Kommunikation vor großen Herausforderungen, die oft mit Dilemmata verbunden sind. Ein verantwortungsvoller Umgang beginnt mit der Beschäftigung dessen, was Nachhaltigkeit in der Industrie bedeutet, welche Motivation und Ziele das Unternehmen hat. Vollmundige Versprechen und haltlose Ankündigungen entwickeln sich schneller zum Bumerang, als man Antworten formulieren kann. Ein Vorgehen in kleinen, überschaubaren Schritten ist oft glaubwürdiger als die glanzvolle Broschüre.
Ist das mess- und belegbar, was wir kommunizieren? Zu dieser Grundhaltung gehört unbedingt der Dialog mit den Ingenieuren, Produktmanagern, den Fach- und Nachhaltigkeits-Experten über das, was wesentlich und angemessen ist. Den Diskurs zu organisieren, ist eine der wichtigsten Aufgaben des MarKom-Teams. Nicht zu unterschätzen ist das persönliche Engagement für das Thema – und die Zweifel, ob das auch alles gelingen kann, was man sich vornimmt. Denn kein Unternehmen lebt im geschützten Raum. Wenn morgen irgendwo auf der Welt eine neue Krise ausbricht, können technische Lösungen ganz schnell marginal sein.
Nachhaltigkeit in der Industrie strategisch anzugehen und zu kommunizieren ist eine Herausforderung, der sich Unternehmen auch mit Unterstützung von Weiterbildungsangeboten stellen können. Der Intensivkurs „Nachhaltigkeit planen und kommunizieren! Von der Strategie zur Story“ der B2B-Kompetenz-Werkstatt des bvik unterstützt Nachhaltigkeitsverantwortliche, Marketing- und Kommunikationsmanager gleichermaßen bei der Planung und Umsetzung im eigenen Unternehmen.
Wir brauchen Zukunftsoptimismus
Die Carlowitz-Gesellschaft vergibt jedes Jahr einen Nachhaltigkeitspreis; 2021 ging er an Vandana Shiva, Wissenschaftlerin, Autorin von mehr als 20 Büchern, Umweltaktivistin und Verfechterin von Ernährungssouveränität und Erddemokratie aus Indien. Ihre Pionierarbeit in der traditionellen Landwirtschaft und den Frauenrechten, insbesondere im Globalen Süden, hat die Sicht der Welt auf diese Themen grundlegend gewandelt. Leidenschaftlich plädiert sie für eine Kultur der Diversität und des Zuhörens: „Wir leben in einer Zeit der Panik in Bezug auf den Schaden, der angerichtet wurde, aber wir leben eben auch in einer Zeit der Chancen und Verpflichtung, weiter auf diesem Weg zu gehen. Die Erde lädt uns dazu ein, zu regenerieren, sie erinnert uns, dass in der Gesellschaft schon viel Wissen vorhanden ist und dass wir harmonisch zusammenarbeiten können. Wir leben in einer Zeit der Chancen, die wir nicht verpassen sollten.“ Die Botschaft lautet: Dranbleiben und anpacken!
Herausforderung Klimaneutralität im B2B
Im Interview berichtet Nachhaltigkeits-Expertin Prof. Dr. Herlyn über den verheerenden Stand der wirtschaftlichen Nachhaltigkeitsziele in Europa und wie der Umschwung noch zu schaffen ist. Mehr lesen Sie hier.
Nehmen Sie sich dem Thema Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen bereits an? Mit unserem neuen Kurs der B2B-Kompetenz-Werkstatt unterstützen wir Sie bei der Konzeption und Kommunikation!