bvik-Glossarbeitrag

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

Was ist das BFSG?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und die Verordnung zum BFSG (BFSGV) regeln, wie Unternehmen in Deutschland bei digitalen Produkten und Dienstleistungen die Hürden für Menschen mit Behinderungen abbauen müssen.

Warum ein Gesetz zur Barrierefreiheit?

Uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – in all seinen Facetten und Möglichkeiten – sollte keine Ausnahme, sondern die Regel sein. Doch die Realität sieht oft anders aus: Teilhabe ist nach wie vor an individuelle Fähigkeiten, Fertigkeiten und Ressourcen gebunden. Menschen mit Behinderungen stehen dabei häufig vor besonderen Herausforderungen, die ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft und im Alltag erschweren. 

Es geht dabei nicht nur um rollstuhlgerechte Zugänge oder Hilfsmittel für sehbehinderte Menschen. Barrierefreiheit umfasst auch digitale Produkte und Dienstleistungen sowie den Zugang zum Online-Handel, die von allen Menschen mit dauerhaften oder temporären physischen und psychischen Einschränkungen bedient werden wollen. Das reicht von einem Formular auf einer Website, das auch mittels Screenreader oder anderer assistiver Technologien bedient werden kann, bis hin zur Bedienung eines Mobiltelefons mit einem Finger, um mit einem schreienden Baby auf dem Arm den Notruf wählen zu können. 

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz bringt all diese Facetten nun zusammen, setzt damit die Richtlinie (EU) 2019/882, den European Accessibility Act (EAA) in nationales Recht um und verpflichtet damit zukünftig auch viele Teilnehmer auf dem freien Markt gegenüber Verbrauchern.

Welche Bedeutung hat das BFSG fürs Digitalmarketing?

Der Anwendungsbereich des BFSG umfasst digitale Produkte und Dienstleistungen, die unter den § 1 Abs. 2, 3 BSFG fallen und nach dem 28. Juni 2025 in Deutschland in Verkehr gebracht beziehungsweise angeboten oder erbracht werden.

Für das Digitalmarketing sind insbesondere die „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ relevant. Nach § 2 Nr. 26 BFSG sind das Dienstleistungen der Telemedien, die über Websites und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden.

Übersetzt man das Juristendeutsch, ist damit der Online-Verkauf aller Produkte und Dienstleistungen gemeint, also etwa Onlineshops, aber auch Bestellformulare oder Terminvereinbarungen. Bei Dienstleistungen und Produkten, die nicht selbst unter das BFSG fallen, sind nur die Websites und mobilen Anwendungen der Dienstleister umfasst.

All diese Anwendungen müssen laut BFSG barrierefrei, also für Menschen mit Behinderung ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein.

Ausnahmeregelungen gibt es für sogenannte Kleinstunternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanzsumme höchstens 2 Millionen Euro beträgt. Diese Kleinstunternehmen müssen die Vorgaben zur Barrierefreiheit nicht zwingend umsetzen.

Außerdem kann ggfs. eine „unverhältnismäßige Benachteiligung“ geltend gemacht werden, die durch die Umsetzung von Maßnahmen zur Barrierefreiheit entstehen würde. Diese Regelung dürfte im Bereich des Digitalmarketings jedoch nicht relevant sein.

Was muss nach BFSG umgesetzt werden?

Betroffene Unternehmen unterliegen diversen Informations- und Auskunftspflichten, insbesondere gegenüber den zuständigen Aufsichtsbehörden.

Vor allem aber sind die konkreten Vorgaben zur Umsetzung der Barrierefreiheit gemäß Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) zu beachten. Die Verordnung enthält allgemeine Regeln und detailliertere Vorgaben für verschiedene Produktarten.

Wichtig ist, dass die Bedienung von Produkten oder Dienstleistungen nicht nur auf einen einzigen Sinn (z.B. Sehen oder Hören) ausgelegt sein darf. Es müssen Alternativen angeboten werden. Dafür kommen auch sogenannte assistive Technologien zum Einsatz, also etwa Screenreader für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit oder Tastatur- und Sprachsteuerung für Menschen mit physischen Einschränkungen.

Weitere für das Digitalmarketing besonders relevante Vorgaben der BFSGV beziehen sich etwa maschinell auslesbare und konkrete Fehlermeldungen (z.B. in Formularen), eine saubere semantische Auszeichnung sowie ein visuell robustes Webdesign.

Tipps für Marketingverantwortliche

Marketingverantwortliche sollten zunächst prüfen, ob sie unter die Vorgaben des BFSG und der BFSGV fallen – und wenn ja, welche Aspekte ihrer digitalen Produkte oder Dienstleistungen. Sollte hierbei Unklarheit bestehen bleiben oder soll eine Ausnahmeregelung in Anspruch genommen werden, ist juristischer Rat einzuholen.

Im nächsten Schritt gilt es die betroffenen Produkte oder Dienstleistungen auf Barrierefreiheit zu untersuchen. Dazu gibt es etwa für Websites zahlreiche Tools am Markt. Angesichts der Vielfalt an möglichen Einschränkungen und den dazugehörigen assistiven Technologien ist bei der Auswertung der Ergebnisse allerdings eine differenzierte Betrachtung unerlässlich.

Um die Wirksamkeit von Barrierefreiheitsmaßnahmen langfristig zu sichern, sollte zusätzlich strukturiertes Nutzerfeedback eingeholt werden. So lässt sich gewährleisten, dass die Maßnahmen nicht nur den aktuellen Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen, sondern auch kontinuierlich an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden.

Das BFSG – neue Compliance-Hürde für das Marketing?

Die Vorgaben des BFSG wirken auf den ersten Blick wie eine weitere Compliance-Hürde (ähnlich wie die DSGVO). Wer jedoch genauer hinschaut wird schnell merken, dass die Vorgaben zur Umsetzung von Barrierefreiheit in großen Teilen den Anforderungen von guter User Experience (UX) entsprechen. Hier muss also nicht für Menschen mit Behinderungen etwas extra gemacht werden. Stattdessen helfen die Barrierefreiheitsmaßnahmen allen Nutzern.

Zudem sollte nicht unterschätzt werden, wie vielfältig dauerhafte und temporäre Beeinträchtigungen einer Nutzung digitaler Medien sein können. Wer solche Nutzer ausschließt, ignoriert riesige Zielgruppen.

Letztlich hängt Barrierefreiheit im Marketing stark von der Haltung und den Entscheidungsprozessen innerhalb der Organisation ab. Ein inklusiver Ansatz entfaltet seine volle Wirkung idealerweise als Ausdruck einer gelebten, authentischen Organisationskultur. Doch auch ohne diese kann und sollte Inklusion fest in Strukturen und Abläufe integriert werden. Gerade das Marketing hat hier die Chance, Impulse zu setzen und positive Veränderungen im gesamten Unternehmen anzustoßen.

 

Autor: David Weihbrecht, activeMind.legal Rechtsanwälte

 

Quellenangaben 

Weihbrecht, D. (2024). Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) (https://www.activemind.legal/de/guides/bfsg/

Weihbrecht, D. (2025). Die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) (https://www.activemind.legal/de/guides/bfsgv/)

Volltext des BFSG: https://www.gesetze-im-internet.de/bfsg/

Volltext der BFSGV: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/verordnung-zum-barrierefreiheitsstaerkungsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=3


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