Marketing als Treibstoff für Innovation und Transformation
Philipp Gross (IONIQ Skincare) erklärt anhand von drei Thesen, wie Marketing zu einem wichtigen Treiber für Innovation und Transformation wird. Er zeigt, warum hierfür ein spezielles Mindset notwendg ist, welchen Beitrag Storytelling hierfür leistet und warum der CMO als Vorbild fungieren muss.
Inhaltsverzeichnis
Drei Thesen für das Marketing
- Marketing ist ein unterschätztes Fachgebiet, welches häufig auf Kommunikation reduziert wird. Jedoch ist es ein wichtiger Treiber für Innovation und Transformation.
- Um Innovation und Transformation erfolgreich zu gestalten benötigt ein Unternehmen Mitarbeiter mit einem kundenzentrierten Mindset und Führungskräfte mit Unternehmereigenschaften. Der CMO sollte in dieser Rolle voranschreiten und Vorbild sein.
- Storytelling ist ein wichtigstes Element, um sowohl intern als auch extern Innovation und Transformation zu lenken.
Marketing als Mindset
Marketing ist kein Handwerk, sondern ein unterschätztes Mindset! Marketing ist speziell im deutschsprachigen Raum immer noch ein unterschätztes Fachgebiet. Für viele Unternehmen ist es der erste Streichkandidat in Krisenzeiten und für andere ist es die bunte Bilderabteilung, um Produkte zu vermarkten. Dabei ist per Definition der Grundgedanke des Marketings, die „konsequente Ausrichtung des gesamten Unternehmens an den Bedürfnissen des Marktes“.1 Marketing stellt somit eine unternehmerische und kundenzentrierte Denkhaltung dar.
Seit Jahren wollen Unternehmen innovativer oder gar disruptiver werden. Vorbilder sind Google, Facebook, Uber und Co. Berater und Experten stellen dafür Konzepte und Strategien mit Buzzwords wie Agilität, Kundenzentrismus und natürlich digitale Transformation vor. Jedoch fehlt häufig ein Gespür für die internen Strukturen, Mitarbeiter und Arbeitsweisen. Dadurch ist die Spannweite bei der Umsetzung in Unternehmen sehr groß. Während in vielen mittelständischen Unternehmen Innovation weiterhin stark von der R&D getrieben wird, beschäftigt sich Marketing mit altbewehrter Kommunikation. Das hat häufig zur Folge, dass technologische Innovationen entwickelt werden, aber die Kundenrelevanz und damit auch Sales ausbleiben. Große Konzerne implementieren dagegen eine ganze Abteilung mit Consumer Insight Forschung woraus sich Kommunikation, Produkt und auch strategische Ausrichtungen speisen. Jedoch werden häufig innovative Konzepte durch langfristige, hierarchische Abstimmungsprozesse verwässert. Folglich scheinen deutsche etablierte Unternehmen nicht die Strahlkraft zu entwickeln, wie es bei Unternehmen aus dem Silicon Valley beobachtet wird. Marketing kann dabei eine wesentliche Rolle einnehmen. Im Folgenden werde ich drei Thesen vorstellen, wie Innovation und Transformation in etablierten Unternehmen durch Marketing gestaltet werden kann.
#1 Marketing muss eine interdisziplinäre Schnittstelle werden, um Kollegen zu befähigen Empathie für den Kunden und Markt zu entwickeln. Wie bereits erwähnt, ist Marketing eine Denkweise, um Markt- und Kundenbedürfnisse zu antizipieren, Handlungsstrategien abzuleiten und Kontaktpunkte zu gestalten. Deshalb ist es wichtig, dass dieses Mindset nicht nur im Bereich der direkten Kundeninteraktion stattfindet, sondern in jedem Gewerk eines Unternehmens. Ein Beispiel ist die Entstehungsgeschichte des Unternehmens TeamViewer. Ein Programmierer einer IT Firma hatte eine Alternative zu langen Reisen zu Klienten zur Software Installationen gesucht und aus der Not eine Software namens TeamViewer entwickelt. Das Unternehmen gilt mittlerweile als Unicorn mit einer Bewertung von über 1 Milliarde Dollar. Das Prinzip ist einfach und immer das gleiche. Es geht darum folgende Schritte transparent und konsequent zu durchlaufen:
1) Empathie für den Stakeholder entwickeln!
2) Bedürfnisse ableiten und priorisieren!
3) Lösung entwickeln und testen!
Jedoch fangen wir häufig bei der technologischen Machbarkeit an und vertrauen unserer „jahrelangen“ Erfahrung mit dem Satz: „Das haben wir immer schon so gemacht.“
Top-Down- und Bottom-Up-Ansätze
Was also kann das Marketing machen, um als Treiber für Innovation zu fungieren?
Wie so häufig können wir auch hier Beobachtungen aus der Welt der Gründer und Startups zurate ziehen. In vielen Startups ist ein kundenzentriertes Mindset nicht Teil der Marketing-Abteilung, sondern essenzieller Bestandteil jedes Mitarbeiters. Nicht umsonst wurden Unternehmen wie Uber, Flixbus oder Deliveroo nicht von Ingenieuren oder Entwicklern gegründet, sondern sind aus einer einfachen Bedürfnisanalyse entstanden. Um ein etabliertes Unternehmen kulturell zu verändern, Bedarf es sowohl einen Top-Down-Ansatz als auch einen Buttom-Up-Ansatz.
Für Buttom-Up empfehle ich, ausgewählte Marketing-Mitarbeiter (Voraussetzung: kundenzentriertes Mindset, methodisches Wissen, Moderationsskills) in der Frühphase von Entwicklungsprojekte interdisziplinär einzusetzen und in einer Projektsteuerungsfunktion agieren zu lassen. Diese Rolle hat den Zweck mit Methodik, gezielten Hinterfragen von Inhalten und dem Einbringen von anderen Perspektiven aus dem alltäglichen Vorgehen auszubrechen und neue Impulse zu setzen. Das hat zum einen den Vorteil, dass Sie in einer sehr frühen Phase des Projekts den Kunden gezielt mit einbeziehen und zum anderen die Projektteilnehmer aus anderen Disziplinen methodisch befähigen. Dieses Buttom-Up Vorgehen funktioniert aber nur so lange das volle Commitment der Führungsetage vorhanden ist. Unternehmen werden am Transformationsprozess scheitern, solange sich die Führungsetage nicht mit transformiert.
Erklären und Vorleben
#2 Chief Marketing Officer = Chief Disruption Officer = Unternehmer: Kundenzentriertes Arbeiten hat mittlerweile den gleichen Buzzword-Status wie Agilität, Fehlerkultur oder Disruption erreicht. Jede Führungskraft wünscht und fordert von seinen Mitarbeitern diese Eigenschaften, auch wenn es bedeutet, eine über Jahre routinierte Arbeitsweise komplett zu verändern. Ich vergleiche Transformationsprozesse im Unternehmen gerne mit Kindererziehung. Abstrahiert geht es vorwiegend um zwei Themen: Erklären und Vorleben. Kinder lernen neue Verhaltensweisen in dem sie andere und vor allem ihre Eltern beobachten. Vielleicht ist ihnen schon aufgefallen wie Kinder bestimmte Tätigkeiten nachahmen. Versuchen Sie mal, Ihrem Kind das Fernsehschauen zu verbieten, obwohl Sie selbst regelmäßig vor dem TV sitzen. Das wird leider nur bedingt funktionieren und Frustration wird sich auf beiden Seiten entstehen.
Ein simples Beispiel aus der Unternehmenspraxis war bei der Daimler AG unter der Leitung von Dieter Zetsche zu beobachten. Nachdem er intern wie extern seine Krawatte gegen Turnschuhe getauscht hat, hat eine sichtbare kulturelle Veränderung im Unternehmen stattgefunden: Die Mitarbeiter haben sich angepasst und ihre Identifikation mit der Marke ist gestiegen. Vorleben ist also wichtig! Jedoch fordern viele Führungskräfte Veränderung, fangen aber nicht bei sich selbst an. Doch wie müssen sich Führungskräfte transformieren? Meiner Beobachtung nach sind Unternehmen kulturell weiterhin durch die amerikanische „Manager“-Bewegung geprägt. Führungskräfte sind darauf spezialisiert ihr Unternehmen auf Effizienz zu trimmen.
CMO als Vorbild
Was dabei allerdings verloren gegangen ist, ist eine Eigenschaft die symptomatisch für die Start-up-Bewegung ist: Unternehmertum. Fähigkeiten wie Kundenbedürfnisse zu verstehen, kreative Lösungsfindung, schnelles agieren und Verantwortung zu übernehmen sind im Unternehmer-Gen enthalten und wichtige Treiber für Innovation. Was vielen etablierten Unternehmen und Führungskräften gerade leidvoll bewusst wird ist, dass diese Eigenschaft nicht einfach durch Berater, neue Prozesse oder Software zu erwerben ist. Es muss tief ins kulturelle Getriebe des Unternehmens eingegriffen werden. Meines Erachtens nach sollte der CMO dabei die zentrale Rolle spielen und als Vorbild voranschreiten. Der ideale CMO hat die Informationen vom Markt und Kunde, sollte mit kreativen und kommunikativen Fähigkeiten ausgestattet sein und genug Empathie besitzen ein zentrales Vorbild im Transformationsprozess zu sein. Durch das konsequente Vorleben vom ihm als Person und seinem gesamten Bereich wird es relativ schnell Abstrahleffekte in das mittlere Management geben und damit auch in das gesamte Unternehmen.
Storytelling als zentrales Element – Beispiel IONIQ
#3 Innovation in Isolation funktioniert nicht! Neben den organisationsstrategischen Maßnahmen gibt es auch zahlreiche Methoden, die Innovation und Transformation im Unternehmen zu fördern. Bei IONIQ haben wir ein zentrales Element, das uns von dem ersten Tag in der täglichen internen wie externen Arbeit begleitet hat: Storytelling. Die Umsetzung von innovativen Ideen polarisieren, da sie außerhalb der Norm sind und ein finanzielles Risiko beinhalten. Deshalb oder nichtsdestotrotz werden solche Projekte relativ früh an KPIs aus dem Bestandsgeschäft gemessen, welche normalerweise für ein Start-up in früher Phase kaum zu leisten sind. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Innovationen oder gar Disruptionen lange gebraucht haben, um sich mit einer hohen Profitabilität am Markt zu etablieren. Beispielsweise haben Nespresso Kapselmaschinen zwölf Jahre gebraucht, um den Massenmarkt zu erobern. Nichtsdestotrotz fordern Stakeholder verständlicherweise nach Beweisen, ob die Investition gut angelegt ist. Bei IONIQ haben früh angefangen alternative Erfolge zu sammeln und unsere Geschichte nach außen und innen zu erzählen.
Storytelling nach außen: Bereits in der Konzeptphase haben wir auf Netzwerk- und Branchenveranstaltungen unsere Produkt- und Unternehmensvision kommuniziert. Beispielsweise haben wir unsere ersten Prototypen auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas ausgestellt. Obwohl wir noch einige Schritte zur Marktreife zu gehen haben, wurden wir zu den Top 20 Innovationen der CES 2019 ernannt und exklusiv von BBC medial begleitet. Dadurch haben sich einige Türen geöffnet und keine geschlossen. Häufig besteht Angst vor Plagiaten oder Ideenklau. Unternehmen bleiben so lange wie möglich mit ihren Ideen hinter verschlossenen Türen. Dabei wird aber häufig unterschätzt welcher inhaltliche Mehrwert entsteht, wenn man sich öffnet. In unserem Fall haben sich uns Netzwerke mit Experten erschlossen, zu denen wir ansonsten keinen Zugang bekommen hätten und wir haben diverse Beteiligungs- und Kooperationsangebote von Marktbegleitern erhalten.
Storytelling nach innen: Das aktive Kommunizieren von kleinen und großen Erfolgsnachrichten nach innen wird häufig mit Arroganz, Karrieregeilheit und Selbstdarstellerei gleichgestellt, sind jedoch wichtiger Bestandteil des Intrapreneurships. Durch fehlende belastbare KPIs wie Umsatz, Profit oder gar ROI sind alternative Erfolgsnachrichten von Nöten. Neben üblichen Daten und Fakten zu Marktpotenzial, positiven Konsumententests, hohe Preisbereitschaften sind auch Presseberichte und Branchenmeinungen ein probates Mittel, um die internen Stakeholder davon zu überzeugen, dass man auf dem richtigen Weg ist. Das sind alles Storytelling-Elemente, die man entweder still hinnehmen oder aktiv in die gesamte Belegschaft tragen kann. Damit werden Sie nicht nur Ihre Stakeholder besänftigen, sondern auch ein großer Teil der Belegschaft begeistern. Das ist insofern hilfreich, dass eine flächendeckende Awareness für das Projekt entsteht und der Glaube wächst das vermeintlich verrückte Projekt erfolgreiche umzusetzen.
Fazit
Zusammenfassend bietet Marketing ein vielfältiges Angebot, um Innovation und Transformation erfolgreich zu gestalten. Innovative Projekte brauchen innovative Strategien um erfolgreich zu sein. Dabei ist es wichtig, gewohnte Muster zu durchbrechen, unvoreingenommen bekannte Methoden in andere Bereiche zu transferieren und sich zu trauen, unkonventionelle Wege zu gehen. Dabei sollte Veränderung nicht nur organisatorisch erfolgen, sondern sich auch im Verhalten und Denkweise jedes Einzelnen widerspiegeln.
1Wirtschaftslexikon Gabler
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