Virtuelle Events – mehr Experience, bitte!

Virtuelle Events haben in den vergangenen Monaten einen enormen Boom erfahren. Eine Studie von FairControl gibt Einblicke in den Nutzen virtueller Veranstaltungen für die Besucher und zeigt, welche Herausforderungen damit einhergehen. Erfahren Sie, worauf die Teilnehmer wirklich Wert legen und wie Sie die optimale Experience bieten können.

Daniel Gundelach, FairControl GmbH
Director Consulting & Marketing, Prokurist

Als Messe- und Eventspezialist beobachtet Daniel Gundelach seit mehr als 20 Jahren die Veränderungen von Messen und Events. In seiner Rolle als Prokurist bei der Marktforschungs- und Beratungsagentur FairControl berät er B2B-Unternehmen dabei, Zielgruppen besser zu verstehen und Marketing und Vertriebsmaßnahmen auf die Anforderungen von Zielgruppen auszurichten.

Bildquelle: privat

 

Live-Marketing verändert sich, und zwar schon seit Langem. Seit geraumer Zeit werden Messen und Events mit digitalen Elementen angereichert, um die Vor-Ort-Reichweite mit dem „Buzz“ im digitalen Raum zu vergrößern und die Kontaktqualität zu vertiefen. Dann kam Corona und beschleunigt diese Tendenzen plötzlich wie ein Turbo. Events werden virtueller und hybrider, Event-Veranstalter arbeiten mit Hochdruck an Konzepten für die digitale Welt. Aber was wollen eigentlich die Teilnehmer? Welche Erwartungen haben Besucher an virtuelle Events – und wie können sich Marketer in B2B-Unternehmen darauf einstellen?  

Studien Set-up

Gemeinsam mit dem Schwesterunternehmen MCI Deutschland hat FairControl eine Studie durchgeführt, die Einblicke in das Mindset von Event-Besuchern gibt. Im Fokus: der Nutzen von virtuellen Events für die Besucher und die damit einhergehenden Herausforderungen der userzentrierten Gestaltung von virtuellen Events.

Die Studienergebnisse basieren auf den Antworten von 543 Personen, die in Deutschland berufstätig sind und über Erfahrung sowohl mit Live-Events, als auch mit virtuellen Events verfügen. Evente-Erfahrung bezieht sich in diesem Kontext auf die Teilnahme an Meetings, Kongressen und Messen – sowohl Face-to-Face als auch im virtuellen Raum. Befragungszeitraum war der 10. bis 19. Juni 2020.

Bezahlen Teilnehmer für virtuelle Events?

Das Angebot an virtuellen Events ist insbesondere in den vergangenen Wochen und Monaten exponentiell angestiegen. Klassische B2B-Veranstaltungen wie Messen und Kongresse wurden aufgrund der behördlichen Regulierungen verschoben, abgesagt, virtualisiert und hybridisiert. „Digital Substitute“ ist bei Event-Veranstaltern eines der aktuellen Schlüsselwörter.

Auch in den digitalen Netzwerken LinkedIn, XING etc. wurde ein starker Anstieg der angebotenen virtuellen Events verzeichnet. Dass Event-Besucher das digitale Event-Angebot annehmen, ist klar – eine andere Wahl haben sie derzeit kaum. Aber bezahlen sie auch für die Teilnahme und nutzen die vielfältigen Features und Funktionen virtueller Events?

Die Studie zeigt: Etwas mehr als ein Drittel (36%) der Teilnehmer gibt an, für virtuelle Messen und Kongresse keine Teilnahmegebühr zu entrichten. Das mag zunächst verwundern, da gerade diese beiden B2B-Events als Vor-Ort-Veranstaltung in den meisten Fällen kostenpflichtig sind. Allerdings fällt bei den virtuellen Substituten auf, dass Veranstalter zur Vermarktung oftmals große Freikontingente zur Verfügung stellen und ausgewählte Veranstaltungsbereiche (z. B. Streams, Webinare etc.) ohne Bezahlschranke zugänglich sind.

Da virtuelle Events in ihrer Ausgestaltung und Funktionalität stark variieren, wollten wir wissen, welche Event-Features den Teilnehmern bekannt sind und ob diese auch genutzt werden.

Ergebnis: Das am häufigsten genutzte Feature stellt der (langfristige) Zugriff auf den Content dar. Etwa zwei Drittel  der Teilnehmer nutzen die Möglichkeit, gezeigte Inhalte herunterzuladen. Die Interaktion in Form von Voting und Polls wird von knapp jedem zweiten (49 %) Teilnehmer aktiv genutzt. Daneben gibt es aber auch Elemente, die offenbar seltener (30 % oder weniger) genutzt werden. Dazu zählen neben Community Building- und Socialising-Angeboten auch Augmented Reality-Features sowie die Live-Übersetzung.

 

Vorteile virtueller Events

In der Studie zeigten sich einige Vorteile von virtuellen Events, die sich in zwei Hauptaspekten zusammenfassen lassen:

  1. Ressourcen
    Neben der offensichtlichen Klimafreundlichkeit (63 %) sehen User zwei weitere und noch bedeutendere Benefits von virtuellen Events. Dazu zählt neben der Kostenersparnis (70 %) auch die Zeitersparnis (69 %).
  2. Content
    Die sofortige on-demand Verfügbarkeit von Inhalten hat für Teilnehmer einen ebenso hohen Stellenwert (58 %), wie die langfristige Verfügbarkeit von Content. Daneben stellt auch die Personalisierung von Inhalten einen wichtigen Nutzenaspekt (48 %) dar.

Herausforderungen virtueller Events

Neben den genannten Vorteilen sehen User virtuelle Events aber auch durchaus kritisch. Optimierungspotenzial wird vor allem in drei Bereichen gesehen. Dabei gibt es Aspekte, die bei virtuellen Events von Teilnehmern vermisst werden oder die Teilnehmer sogar „nerven“. Dazu gehört insbesondere der Bereich „Struktur & Didaktik“.

  1. Emotion & Experience
    Neben der reinen Informationsvermittlung haben B2B-Events gerade in den vergangenen Jahren oftmals als Zielstellung die Emotionalisierung der Teilnehmer verfolgt. Das zeigen zum Beispiel die Festivalisierungstendenzen von Messen. Die Befragten gaben an, dass es aber genau in diesem Bereich bei virtuellen Events noch deutliche Defizite gibt. Vermisst werden sowohl die fehlende Möglichkeit des haptischen Erlebnisses von Produkten (66 %), als auch die fehlende Atmosphäre im virtuellen Kontext (62 %). Darüber hinaus sehen sechs von zehn Befragten wenig Möglichkeiten, mit der Teilnahme an virtuellen Events aus dem Alltag auszubrechen und emotionale Erlebnisse zu erfahren.

 

  1. Intimität & Spontanität
    Die direkte und unmittelbare Begegnung von Personen einer Branche ist eines der wesentlichen Merkmale von F2F-Business-Events. Und genau das ist aber der Bereich, in dem die Teilnehmer bei virtuellen Events offenbar wesentliche Elemente vermissen: Spontane Gespräche (70 %) fehlen den Befragten ebenso, wie das persönliche Kennenlernen (68 %), der informelle Austausch (64 %) und die Möglichkeit, Beziehungen aufzubauen (62 %).
  1. Struktur und Didaktik
    Die Studie konnte außerdem Bereiche aufdecken, die die Teilnehmer an Events im digitalen Raum regelrecht stören, bzw. die sie als „nervig“ empfinden, wie die oftmals monotone Gestaltung des Eventverlaufs (51 %) und die fehlende Möglichkeit des direkten Austauschs mit anderen Teilnehmern (48 %). Darüber hinaus gab es Kritik auch für den präsentierten Content, der von fast 40 % der Teilnehmern als unangepasst an den virtuellen Kontext beschrieben wird.

Die Mythen von virtuellen Events

Mythen über digitale Events gibt es viele – so wird zum Beispiel branchenübergreifend immer wieder der Wertbeitrag von F2F-Events im Kontext des Megatrends Digitalisierung diskutiert und die Frage gestellt, ob Live-Events irgendwann von virtuellen Events ersetzt werden.

Mythos 1: „Virtuelle Events werden F2F-Formate zunehmend ersetzen!“

Das erscheint nicht nur aus der Intuition heraus unwahrscheinlich. Auch die Teilnehmer sprechen sich mit deutlicher Mehrheit gegen diesen Mythos aus. Nur zwei von zehn Teilnehmern sind der Meinung, dass virtuelle Events Live-Events künftig vollständig ersetzen könnten. Untermauert wird das Ergebnis von der persönlichen Planung der Teilnehmer. So stimmt nur rund ein Viertel (26 %) der Aussage zu, dass sie nach der Corona-Krise weiterhin virtuelle Veranstaltungen gegenüber vor-Ort Veranstaltungen bevorzugen werden.


Mythos 2:
„Virtuelle Events sind keine technische Herausforderung!“

Es gibt unzählige technische Möglichkeiten für die Umsetzung von virtuellen Events. Die Technik macht angeblich nicht den Unterschied, aber überwiegen bei virtuellen Events tatsächlich die konzeptionellen Herausforderungen? Die Beantwortung dieser Frage liegt in der Reaktion der Teilnehmer auf technische Problemstellungen. Wenn 50 % der Befragungsteilnehmer von technischen Problemen genervt sind, lässt sich die Tragweite dieses Aspekts erahnen. Was machen Sie, wenn Sie genervt sind? Bleiben Sie dabei, oder beschäftigen Sie sich vielleicht mit anderen Themen, die auf Ihrer Agenda ganz oben stehen? Eine hohe Relevanz hat die technisch Ausgestaltung und Usability von virtuellen Events auch deshalb, weil sich die wahrgenommene Qualität eines virtuellen Veranstaltungen immer erst im Zusammenspiel mit den technischen Fähigkeiten des Teilnehmers ergeben kann.


Mythos 3: „Mit geeigneten digitalen Tools lässt sich fast jeder Aspekt eines F2F-Events auch virtuell umsetzen!“

Teilnehmer geben an, dass sie viele Funktionalitäten von virtuellen Veranstaltungen nur in einem geringen Maße nutzen. So werden z. B. intelligente Suchfunktion, Augmented Reality, Community Building & Socialising und Live-Übersetzung von weniger als 40 % der Teilnehmer genutzt. Dies kann sich durch den Umstand erklären, dass es zwar die einzelnen Tools, aber keinen Standard für Funktionalitäten gibt und Veranstalter diese noch nicht ausreichend userorientiert aufsetzen und so in virtuelle Events integrieren, dass sie einen hohen Nutzen stiften.

Learnings und Fazit

Virtuelle Events haben in den vergangenen Monaten einen enormen Boom erfahren. Sie werden von Teilnehmern als Substitut in Krisenzeiten und auch als komplementäre Angebote akzeptiert. Zudem bieten sie einige Vorteile, die insbesondere in verkürzten Zeitinvestments, geringeren Teilnahmekosten und der langfristigen und on-demand Verfügbarkeit von Event-Content liegen. Allerdings lassen sich Emotionen, Beziehungen und spontane Begegnungen (aktuell) nur schwer durch virtuelle Events triggern. Genau diese Themen schätzen die Teilnehmer an on-site Events besonders stark.

Insofern wird auch keine Ablösung von on-site Events durch virtuelle Events zu erwarten sein! Vielmehr werden die digitalen Bestandteile von hybriden Events an Bedeutung gewinnen. Die Herausforderung von Event-Verantwortlichen besteht einerseits in der engeren Verknüpfung von virtuellen und Live-Event-Bestandteilen. Andererseits sollten die virtuellen Event-Komponenten dabei so gestaltet sein, dass sie den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppen entsprechen und maximalen Nutzen stiften. Bleibt am Ende eine zentrale Fragestellung: Wissen Sie, was Ihre Zielgruppen von einem Besuch Ihres Events (virtuell und on-site) im Detail erwarten? Nein? Dann fragen Sie doch mal nach.

Interessierte können auf Anfrage die Zusammenfassung der Studienergebnisse erhalten. Hierzu senden sie einfach eine Mail an daniel.gundelach@faircontrol.de