Bundesverband Industrie Kommunikation e.V.

Customer Journey optimieren im B2B – Best Practice

A robot hand and a human hand makes a heart via the HUD display. 3d illustration.

Das Thema Customer Journey ist ein Mega-Projekt im Unternehmen. Der Kunde steht im Mittelpunkt, das schreibt sich fast jeder auf seine Fahnen. Daher könnte man meinen, Customer Journey Management müsste bekannt und gesetzt sein, vor allem beim oberen Topmanagement. Die Realität ist aber eine andere. 

Vor allem in mittelständischen Unternehmen, vielleicht aber auch bei Konzernen, muss noch viel Überzeugungsarbeit für die hohe Relevanz des Themas geleistet werden, um Kunden nachhaltig zu begeistern. Marketingleiter Milos Kojic spricht im Interview mit dem bvik darüber, wie das Thema bei HERMA angegangen wird und welche Learnings der B2B-Kompetenz-Werkstatt besonders hilfreich für ihn waren. 

 

bvik: Wie war die Ausgangssituation bei HERMA in Bezug auf die Customer Journey?

Milos Kojic: Customer Journey ist eines dieser Buzzwords, die viele gerne benutzen, ohne sich aber ganz konkret über die Bedeutung im Klaren zu sein. Es ist, wie so oft: Man macht intuitiv schon sehr vieles richtig, auch ohne detaillierte Strategie und passgenauen Maßnahmenplan. Auch wenn das Marketing an sich gut aufgestellt ist, ist es aus meiner Sicht unfassbar hilfreich sich über das Thema mit allen möglichen Touchpoints umfassend Gedanken zu machen. Dann findet man Erstaunliches, an das man bislang noch nicht gedacht hat. Aber es braucht jemanden im Unternehmen, der die Initiative dazu ergreift und den Prozess in Gang bringt.

Wie geht man am besten vor, um ein Customer-Journey-Projekt erfolgreich umzusetzen?

Nun, ich habe mein Projekt im Unternehmen von der Vertriebsleitung bis hin zur Geschäftsleitung vorgestellt und im Grunde von allen erst einmal positives Feedback erhalten. Als es aber dann in Richtung Umsetzung ging, wurde es schwieriger, denn man braucht Kapazitäten, Manpower und zeitliche Ressourcen, die in der Praxis nur schwer zu bekommen sind. Prozesse zu durchleuchten und neue aufzustellen, geht nicht nebenher, dazu muss ein eigenes Projekt aufgesetzt werden. Ganz klassisch mit Projektverantwortlichem und Auftraggeber. Der Projektstart war zunächst schwierig und die Anfangsbegeisterung der verschiedenen Beteiligten schwand. Ich musste schon intensiv dafür kämpfen, die benötigten Ressourcen zu bekommen. Ich habe aber das Glück, dass wir aktuell aufgrund meiner Projektanforderung nach einem Personalwechsel gezielt einen „Seniorprojektmanager Customer Journey“ mit Schwerpunkt auf Digitalisierung suchen. Wir fokussieren uns aktuell auf das digitale Umfeld, aber auch das ist schon mal ein großer Schritt.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihrem Customer-Journey-Projekt gemacht?

Vor einem Jahr hätte ich mir das gar nicht vorstellen können, aber das hat mittlerweile eine riesige Dynamik bekommen. Das hat dazu geführt, dass das Thema jetzt auch in unserer Unternehmensstrategie 2030 platziert wurde. Ein großer Eckpfeiler dieser Strategie ist die Digitalisierung, und das wiederum beinhaltet auch die Customer Journey. Diese wird aktuell ganz stark mit der Digitalbrille betrachtet. Ich finde es jedoch wichtig, dass wir alle Aspekte der Customer Journey im Blick behalten, nicht nur die digitalen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer ganzheitlichen Herangehensweise und einem koordinierten Vorgehen über alle Abteilungen hinweg.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Herausforderungen bei der Umsetzung eines Customer-Journey-Projekts?

Die größte Herausforderung ist definitiv die Sicherstellung der benötigten Ressourcen, sei es in Form von Personal, Zeit oder Budget. Es erfordert einen klaren Fokus und eine langfristige strategische Ausrichtung des Unternehmens. Zudem sind die interne Kommunikation und Koordination entscheidend, um alle Beteiligten auf Kurs zu halten und sicherzustellen, dass das Projekt erfolgreich umgesetzt wird. Es ist ein kontinuierlicher Prozess der Optimierung und Anpassung an die sich verändernden Kundenbedürfnisse und Marktbedingungen.

Wie geht HERMA mit Persona-Konzepten im Kontext der Customer Journey um?

Wir haben klar entschieden: Wir definieren die Personas erst einmal, um herauszufinden, welche Zielgruppen wir in unseren zwei Geschäftsbereichen haben. Das ist – wie bei vielen anderen Unternehmen auch – sehr unterschiedlich. Wenn wir zum Beispiel nur den einen Geschäftsbereich „Haftmaterial“ betrachten, dann ist unser Kunde klassischerweise ein Etikettendrucker. Wir liefern Haftmaterial, aus dem er die Etiketten erstellt und weiterverkauft an die sogenannten Etikettenverwender, die die Etiketten auf ihr Produkt aufbringen, wie zum Beispiel Procter und Gamble oder Nestle.

Durch unsere Customer-Journey-Initiative haben wir festgestellt, dass wir ein sehr gutes Bild von unserem Kunden, dem Etikettendrucker, haben. Wir haben aber keine Kenntnisse darüber, wie sein Kunde tickt. Welche Herausforderungen dort bestehen, welche Fragen die Entscheider an unser Produkt haben könnten, zum Beispiel, welche Möglichkeiten es gibt, um eine Verpackung nachhaltiger zu gestalten. Das geht sehr stark über den Klebstoff, zu dem unser Kunde nicht die Expertise besitzt, um hier fachkundig zu beraten. Das können nur wir, aber uns kennt der Endkunde nicht, weil es keinen direkten Kontakt gibt. Daher haben wir entschieden, einen neuen Touchpoint zu definieren, um diese speziellen Needs festzuhalten. Konkret haben wir uns dazu entschlossen, erstmalig gezielt auf Messen zu gehen, die die Etikettenanwender besuchen.

Was sind das für Messen, die Sie neu auf den Radar nehmen?

Das sind Messen, die stark im Bereich Verpackung aufgestellt sind Bis jetzt war für uns nur die Leitmesse für Etikettendrucker von Bedeutung, die alle zwei Jahre stattfindet. Mit dem neuen Fokus haben wir jetzt eine komplett neue Messelandschaft geschaffen. Dort stellen wir unsere Produkte so dar, dass der Etikettenverwender sie versteht. Es ist sogar eine Messe in Barcelona dabei. Das bedeutet: Wir haben hier einen ganz neuen Touchpoint, der nun hinzukommt, mit ganz neuen Inhalten und Anforderungen. Das Besondere daran ist: Diese Messen hatten wir bis dato nie auf dem Schirm!

Wie passt sich Ihr Marketingkonzept an den neuen Touchpoint „Etikettenverwender“ an?

Wir haben ein komplett neues Konzept, bei dem wir teilweise sehr radikal vorgehen in Richtung Guerilla-Marketing. Wir wollen Aufmerksamkeit erregen, damit Etikettenanwender sofort sehen: Hey, das könnte für uns interessant sein! Durch die Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften zur Regulierung von Verpackungsmüll steigt der Druck auf die Industrie, Verpackungen nachhaltiger zu gestalten. Da positionieren wir uns gezielt jetzt als Lösungsgeber im Hinblick auf optimal nachhaltige Etiketten.

Welche Kanäle sind darüber hinaus relevant als Touchpoint?

Was wir jetzt gerade verstärkt angehen, sind die vielen Anfragen, die über unser Anfrageformular auf der Webseite kommen. Das sind pro Monat immerhin knapp 200 im Schnitt. Wir haben festgestellt, dass diese Anfragen nicht direkt den Weg zum Vertrieb finden dürfen mangels Qualifizierung. Hier greift unser Leads Nurturing, das wir im Gesamten nun noch einmal kleinteilig untersucht haben. Wir haben darauf aufbauend einen komplett neuen Prozess erstellt, der aus etwas ganz Kleinem zu etwas sehr Großem geworden ist. Für so etwas braucht man jedoch die Unterstützung der IT, um Anfragen zu filtern und aus ihnen echte Sales Qualified Leads zu generieren. Konkret bei uns bedeutet das, dass die Anfragen im ersten Schritt vom Marketing geprüft werden. Wenn wir feststellen, dass Potenzial vorhanden ist, werden die noch fehlenden Informationen über Marketingaktivitäten eingeholt. Erst wenn das Marketing grünes Licht gibt, geht der Kontakt weiter zum Vertrieb, der nun zielgerichtet und auf hohem professionellem Niveau arbeiten kann.

Wie sind Sie vorgegangen, um die Herausforderungen Ihrer Personas systematisch zu clustern? Waren es die Sinus-Milieus oder welche Methode haben Sie zugrunde gelegt?

Sinus-Milieus haben wir in der Form nicht verwendet. Aber wir wussten, dass wir über Kundeninterviews vorgehen wollten, wie im Kurs der B2B-Kompetenz-Werkstatt gezeigt. Pro Zielgruppe wurden zehn Kunden identifiziert, die befragt werden sollten. Wir haben uns intern lange darüber ausgetauscht, was wir von ihnen wirklich wissen müssen. Dann haben wir uns für den sogenannten SIPOC-Ansatz entschieden: Supplier-Input-Prozess-Output-Customer. Im Grunde genommen haben wir gesagt, es wäre doch für uns vor allem super interessant herauszufinden, wie der interne Prozess bei einem Kunden abläuft, die Produktion bis zu dem Punkt, dass ein Etikett eingesetzt wird. Es stellen sich folgende Fragen: Wer setzt das Etikett ein? Wer ist der Einkäufer und so weiter. Noch sind wir nicht am Ende, aber man muss die Methoden ausprobieren, um zu sehen, ob sie für einen funktioniert. Für uns war dieses Vorgehen praktikabel und logisch: Wenn ich weiß, wie beim Kunden intern der Prozess abläuft, dann kann ich mich viel besser daran orientieren und herausfinden, wo ich am besten einsteige, wo ich ihn unterstützen kann, um seine Performance in Richtung seines Kunden noch ein bisschen besser zu machen.

Kamen bei diesen Befragungen die erwarteten Antworten oder unter Umständen ganz andere Dinge heraus, die der Vertrieb oder die Geschäftsleitung nicht erwartet hatten?

Das ist doch der Klassiker. Jeder sagt: Ja, klar weiß ich, wie mein Kunde tickt! Aber das weiß man tatsächlich nicht. Vor allem hier bei unserem Beispiel. Der Nutzer der Etiketten ist ja nicht einmal unser Kunde. Hier gilt es für uns, noch belastbarere Profile auszuarbeiten. Aber so wie sich die Prozesse bei HERMA ändern, ändern sie sich auch beim Kunden. Ein Meilenstein ist es tatsächlich, das Thema überhaupt in die Umsetzung zu bekommen. Aber dazu gehört auch, dass man am Ball bleibt und die Erkenntnisse in einer gewissen Regelmäßigkeit überprüft und verifiziert.

Abschließend noch die Frage: Hat Ihnen der Kurs der B2B-Kompetenz-Werkstatt des bvik hier weitergeholfen?

Ja, absolut. Man bekommt da ein ganz anderes Verständnis dafür und wie so oft sind es auch die Beispiele, die für einen neu sind und die dann wiederum neue Ideen und Ansatzpunkte generieren. Es war definitiv nicht alles neu für mich, aber in Summe war es absolut hilfreich. Auch die Zusammenarbeit und der Austausch in unseren interaktiven Workshops während des Kurses haben geholfen, weil man da sieht, wie die Themen in einem anderen Unternehmen umgesetzt werden. Das hat zusätzliche Impulse gebracht und im Rückblick muss ich sagen: Es war schon sehr, sehr interessant.


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B2B-kompetenz-Werkstatt: B2B-Customer-Journey optimieren

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