“Es muss gelingen, Emotionen und Technologie zu verbinden!” – Interview Teil 1
[no_toc] Im ersten Teil des Interviews mit dem bvik erklärt TIK-Referent Julius van de Laar (Kampagnen- und Strategieberater), warum es für Unternehmen extrem wichtig ist, zu polarisieren und sich von Wettbewerbern abzugrenzen. Außerdem macht er deutlich, dass Emotionen und Technologie Hand in Hand gehen müssen und die Heldenreise die Grundlage für das Storytelling im B2B ist.
Inhaltsverzeichnis
bvik: Lieber Herr van de Laar, Sie sind bereits zum zweiten Mal als Speaker beim TAG DER INDUSTRIEKOMMUNIKATION (TIK), dem Leuchtturm-Event des bvik. Was macht für Sie die Faszination TIK aus? Warum sollten B2B-Marketer dabei sein?
Julius van de Laar: Ich erinnere mich sehr gerne an meinen ersten TIK 2016, an ein Event, das nicht nur von seiner Location ganz besonders war, sondern vor allem von der Stimmung. Die Tatsache, dass dort Kommunikationsexperten und -expertinnen zusammenkommen, sich mit Branchenkollegen austauschen und tiefe Einblicke sowie konkrete Praxistipps geben, machen den TIK zu einer ganz besonderen Veranstaltung. Im Gedächtnis geblieben ist mir vor allem der Praxis-Case von Liebherr. Es hat mich fasziniert zu sehen, wie die Teilnehmer es aufgesogen haben, als einer der Referenten damals tiefe Einblicke in das Projekt zu “Mr. Torque” – einem riesigen Drehbohrer – gewährt hat. In diesem Case wurde gezeigt, wie sich die stark wachsenden und hoch frequentierten Social-Media-Plattformen auch für klassische B2B-Produkte nutzen lassen, wie die Verzahnung von offline und online sowie die Messbarkeit von B2B-Kommunikation in sozialen Online-Kanälen funktioniert. Die Tatsache, dass hier jemand bereit war, das Buch aufzumachen und nicht nur einige Erfolgsbilder zu zeigen, sondern konkrete Zahlen, zur Kampagne darzulegen, Schwierigkeiten aufzuzeigen und die Teilnehmer mit auf die Reise zu nehmen, das gibt es in dieser Form bei Veranstaltungen nur sehr selten. Das hat mich beeindruckt. Beim TIK stehen Leute auf der Bühne, die bereit sind zu teilen – und zwar nicht nur oberflächlich, sondern tiefgehend. Es ist ein Testament an die Veranstaltung, dass es dort gelingt, eine Stimmung zu kreieren, in der die Speaker und die Unternehmen tiefe Einblicke geben und bereit sind, Erfahrungen vollumfänglich zu teilen. Das macht diese Veranstaltung aus und deshalb lohnt es sich auf jeden Fall für alle B2B-Marketer dabei zu sein!
Bereits beim TIK 2016 begeisterte Julius van de Laar die Teilnehmer.
Das Motto in diesem Jahr lautet “Identity – Technology – Emotion”. Was verbinden Sie mit dieser Triologie?
van de Laar: Dieser Dreiklang trifft genau den Puls der Zeit. Egal ob geostrategisch, geopolitisch oder geogesellschaftlich. Jeder ist auf der Suche nach einem Grundbedürfnis und das ist Zugehörigkeit. Im Zuge der Globalisierung ist dies immer mehr und mehr verloren gegangen, gleichzeitig ist aber die Sehnsucht gewachsen irgendwo dazuzugehören. Dieser Wunsch nach Zugehörigkeit und Verbindung zu anderen, wird in der aktuellen Situation, bedingt durch Covid-19 nochmals stark amplifiziert.
Menschliche Grundbedürfnisse wie Sicherheit, Wachstum aber eben auch Zugehörigkeit sind tief in uns verankert. In einer globalisierten Welt – die durch die Corona-Pandemie abrupt zum Stillstand gekommen ist, müssen wir uns die Frage stellen, wie gelingt es, dass wir uns trotz Isolation und Homeoffice noch zugehörig fühlen? Genau hier kommt die dritte Komponente, die Technologie, ins Spiel, die eine unglaublich wichtige Rolle spielen kann. Richtig eingesetzt können Technologie und digitale Medien für ein Zusammengehörigkeitsgefühl und Identität sorgen – man muss nur an das letzte Zoom-Meeting mit der Familie und den besten Freunden denken.
Wie können B2B-Unternehmen, noch stärker Emotionen erzeugen? Welche Rolle spielt dabei Technologie?
van de Laar: Zunächst einmal muss man sagen, dass es gelingen muss, die Emotionen mit der Technologie zu verbinden, um dadurch Identifikation mit einem Unternehmen oder einer Marke zu schaffen.
Doch hierfür ist eine klare Positionierung notwendig – das gilt nicht nur für Unternehmen sondern auch für Institutionen und die Politik. In der Parteienlandschaft haben die großen Volksparteien ihre Positionierung verloren und sind austauschbar geworden. Dies gilt auch für viele Unternehmen und Organisationen, die nicht mehr genau definieren können, wofür sie eigentlich stehen und was ihr USP beziehungsweise ihr Wertbeitrag ist. Viele Firmen haben ein großes Portfolio an Produkten, aber die eigentliche Identität droht austauschbar zu werden. Genau daran müssen sie arbeiten. Unternehmen müssen ihre Werte und ihre Identität immer wieder neu definieren und sich darin klar von Wettbewerbern abgrenzen. Hierfür ist es unbedingt notwendig, zuzuspitzen und zu polarisieren, um die gewünschten Botschaften der relevanten Zielgruppe zu vermitteln und die Identität zu schärfen. Diese Fokussierung bedeutet aber eben auch immer Abgrenzung zu den Wettbewerbern. Im Endeffekt geht es darum zu zeigen, wofür man als Unternehmen steht, aber auch klar zu machen, wofür nicht! „Stand for something“ – darum geht es heute und in Zukunft. Und daran müssen alle Unternehmen arbeiten. Klar ist aber auch: Diese Form der Positionierung und Polarisierung verlangt Mut!
In den Zeiten der permanenten Erreichbarkeit und Überflutung aller Kanäle stellt sich folgende Frage: Wie gelingt es, die richtigen Zielgruppen zu erreichen und sie mit Daten getriebenen Kampagnen zu identifizieren und zielgenau anzusprechen?
van de Laar: Im Idealfall erzählt man eine emotionale, zugespitzte Botschaft, die es zugleich schafft, Leute mit auf eine Reise zu nehmen, die erklärt, wo wir herkommen und wo wir hinwollen – also die klassische Heldenreise, das klassische Epos aus der Antike. Dabei geht es aber grundsätzlich immer darum, zwei elementare Fragen zu beantworten, nämlich: “Warum ich/wir?” und “Warum jetzt?” Dies gilt wieder für die Politik, beispielsweise im Wahlkampf um ein Amt, genauso wie für Unternehmen im Kampf mit ihren Wettbewerbern. Warum sollen sich Kunden genau für dieses Produkt eines bestimmten Unternehmens entscheiden und warum genau jetzt?
Der Strategieberater und Kampagnen-Experte ist ein Mann klarer Worte” “Der Kunde muss immer im Zentrum stehen!”
Storytelling wird als modernen Begriff gehypt, dabei gibt es dies schon seit der Antike, siehe die Fünf-Akte-Struktur nach Freytag – er entdeckte dieses Handlungsmuster in Dramen von Shakespeare und aus dem antiken Griechenland – oder dem Verlauf der typischen Heldenreise. Gibt es überhaupt Unterschiede für das moderne, datengetriebene Storytelling?
van de Laar: Nicht wirklich! Ein Paradebeispiel hierfür ist der Vorwahlkampf der Demokraten in den USA. Michael Bloomberg hatte dort eine halbe Milliarde seines Privatvermögens in seinen Wahlkampf investiert. Er hatte die beste Kanalstrategie, die besten Datenanalysten, 2000 hauptamtliche Mitarbeiter, die par excellence kommuniziert haben und alle finanziellen Ressourcen, um jeden Kanal optimal zu bespielen. Doch am Ende kam absolut nichts dabei raus. Bloomberg hatte keine Relevanz und gewann in der Konsequenz auch kaum Delegiertenstimmen. Joe Biden hingegen hat immer wieder seine Geschichte erzählt und die demokratische Basis überzeugen können, dass er die beste Alternative zu Donald Trump ist. Man sieht, dass Geld und Daten zwar die „Brandbeschleuniger“ sind, die Voraussetzung ist aber eine Story, eine echte Botschaft. Man muss sich also immer zuerst klar darüber sein, was die eigene Geschichte ist, die man emotional erzählen möchte. Geld ist hilfreich, diese dann auch groß zu machen. Aber Geld ohne Geschichte oder Daten ohne Geschichte sind einfach nur ein Kerzenlicht, das gleich wieder erlischt! Dies ist eins zu eins übertragbar aus der Politik in die Wirtschaft beziehungsweise auf Unternehmen.
Welche Rolle spielt dabei der Kunde?
van de Laar: Der Kunde steht selbstverständlich im Zentrum. Man muss als Unternehmen die (Grund-)Bedürfnisse des Kunden kennen und sich fragen: Woher kommt er? Wo will er hin? Was können wir als Unternehmen für ihn tun, um ihn zum Ziel zu bringen? Es gilt zu vermitteln, warum der Kunde gerade unser Produkt oder unsere Dienstleistung benötigt, um seine Bedürfnisse zu befriedigen.
Um auf die Heldenreise zurückzukommen: Es geht darum, dem Kunden die bestmöglichste Heldenreise zu ermöglichen, an dessen Ende er der Held ist! Hier kommen dann auch wieder die Daten ins Spiel. Denn, wenn er am Ende das bekommen hat, was er möchte, ist es für Unternehmen natürlich immens wichtig, die entsprechenden Daten zu haben, um zu sehen, ob die Strategie auch aufgeht.
Das Interview führte bvik-Referent Dominik Schubert. Bildquellen: Thomas R. Schumann
LESETIPP
Der zweite Teil des Interviews “Unternehmen müssen die Lebenswelt der Kunden besser machen!” macht TIK-Referent Julius van de Laar (Kampagnen- und Strategieberater) deutlich, wie wichtig es ist, dass Unternehmen mit einer Kernaussage kommunizieren und erklärt, wie Hidden Champions zu Gestaltern der Zukunft werden. Außerdem wagt er einen Ausblick auf den Präsidentschaftswahlkampf in den USA.