Kundenverbunden – Mehr Kundenzentrierung im B2B
In seinem Buch beschreibt Mathias Weber, warum Unternehmen eine neue – kundenverbundene – Kultur etablieren und pflegen müssen und wie diese Transformation gelingt. Ein einzigartiges Kundenerlebnis war noch nie so erfolgskritisch wie heute.
Viele Unternehmen setzen daher auf kundenorientierte Prozesse und die Sammlung verwertbarer Kundendaten. Doch Kunden sind mehr als die Summe ihrer Daten. Fast immer entstehen besondere Markenerlebnisse und echte Wow-Momente durch Empathie, den persönlichen Touch oder die berühmte Extrameile, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Kunden gehen.
Inhaltsverzeichnis
Das Kundenerlebnis macht den Unterschied
Die Art und Weise wie Kunden eine Marke im Kaufentscheidungsprozess wahrnehmen, wird immer erfolgskritischer. Finde ich als Kunde schnell und einfach, das was ich brauche? Geht der Verkäufer auf mich und meine Bedürfnisse ein? Wie lange muss ich warten? Werden die gemachten Versprechen auch wirklich gehalten? Was passiert, wenn mal etwas nicht nach Plan läuft? Die Steuerung von Kundenerlebnissen ist ebenso komplex wie wichtig. Doch bekommt das Erlebnis Ihrer Kunden heute wirklich die Aufmerksamkeit, die es verdient?
Wann waren Sie als Kunde das letzte Mal begeistert?
Wir sind alle für das Kundenerlebnis verantwortlich – auch wenn der eine oder andere qua seiner Funktion näher am Kunden ist als andere – beispielsweise, wenn Sie im Vertrieb arbeiten. Dabei sind wir alle Experten für Customer Experience – schließlich sind wir tagtäglich selbst in der Rolle des Kunden – morgens in der lokalen Espressobar, wenn wir die Hotline unseres Mobilfunkanbieters anrufen, beim Reifenwechseln in unserer Vertragswerkstatt oder als Hotelgast im Urlaub. Schlüpfen wir einmal in diese Kundenrolle bzw. in alltägliche Kundensituationen. Wann waren Sie als Kunde das letzte Mal begeistert? Wann wurden Ihre Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen? Für viele von uns ist diese Frage so spontan wahrscheinlich gar nicht so einfach zu beantworten. Im B2B könnte es beispielsweise eine besonders schnelle Lieferung für ein kritisches Ersatzteil sein oder ein kleines Geschenk von einem externen Partner zum Jahrestag der Zusammenarbeit. Was zeichnet solche besonderen Momente aus?

Abb. Charakteristika besonderer Kundenerlebnisse (Quelle: Autor)
Erlebnis > Erwartung
Hand aufs Herz: Wir erinnern uns sehr gut an die besonders guten und an die besonders schlechten Erfahrungen mit einer Marke – also an die Momente, in denen unsere Erwarten entweder über- oder untererfüllt wurden. Diese Momente – positive wie negative – sind es auch, die wir am meisten teilen – mit Freunden und Familie, aber gerade auch in den sozialen Medien. Begeisternde Erlebnisse haben das Potenzial, die Wahrnehmung und Begehrlichkeit einer Marke in besonderem Maße positiv zu beeinflussen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Kundenverbundenheit oft dann entsteht, wenn der Kunde ein Problem hat, ein Servicefall oder eine unangenehme Situation vorliegt. In genau diesen Momenten haben Marken die große Chance, die Enttäuschung ihrer Kunden in Begeisterung zu verwandeln.
Person > Prozess
Hatten Sie schon mal einen Wow-Moment im Kontakt mit einer Kundenhotline, bei der Sie sich durch endlose Menüs („…drücken Sie jetzt die 1 …“) und lange Wartezeiten („… der nächste freie Mitarbeiter ist gleich für Sie da …“) quälen mussten? Vermutlich nicht. Der telefonische „Kundenservice“ ist bei vielen Marken aus Kundensicht eine Enttäuschung. Standardisierte Prozesse und Effizienz stehen im Vordergrund. Natürlich sind Prozesse wichtig. Um Kunden zu begeistern, brauchen diese jedoch die Gewissheit, dass sie verstanden, gesehen und gehört werden. Das gibt dem Kunden ein Gefühl von Bedeutung und schafft eine Mensch-zu-Mensch-Beziehung. Wenn Kunden sich an herausragende Erlebnisse mit einer Marke erinnern, fühlten sie sich in den meisten Fällen verstanden, anerkannt und sind positiv überrascht vom persönlichen Einsatz eines Vertreters der Marke.
Konsistenz statt Zufall
Kundenverbundene Unternehmen überlassen das Erlebnis ihrer Kunden nicht dem Zufall oder der jeweiligen Tagesform der Mitarbeiter, sondern haben ein klares Zielbild, das sie konsistent zu jeder Zeit an jedem Kontaktpunkt umsetzen – ganz nach dem Motto: „immer das Richtig, statt manchmal das Besondere.“ Marken wie Starbucks oder Apple haben dies für sich als Grundprinzip erklärt und schaffen dadurch Serviceerlebnisse, die weltweit konsistent sind. Eine Marke ist ein Versprechen und das umfasst mehr als zuverlässige Produkte und eine gleichbleibende Qualität. Das Verhalten der Mitarbeiter im Kundenkontakt ist heute mindestens genauso wichtig und bietet umgekehrt das höchste Potenzial einen positiven Unterschied zu machen.
Ein gutes Kundenerlebnis zahlt sich aus
Herausragende Kundenerlebnisse sind nicht einfach nur angenehm und hinterlassen ein positives Gefühl. Sie liefern messbaren Mehrwert, der bereits vielfach nachgewiesen werden konnte. So sind beispielsweise 86 % der Käufer bereit, mehr für eine gute Customer Experience zu bezahlen. Die Loyalität und Weiterempfehlungsbereitschaft ist mehr als dreimal höher bei begeisterten Kunden. Und: Kundenzentrierte Unternehmen sind im Schnitt 60 % profitabler. Darüber hinaus bieten Unternehmen, die sich besonders um ihre Kunden kümmern ein besseres Identifikationsangebot, Orientierung und Sinnstiftung für ihre Mitarbeiter.
Warum Ihre Kunden keine besonderen Erlebnisse haben – die Top 5
Bevor die eigentliche Arbeit beginnt, gilt es die Handlungsbedarfe in puncto Kundenverbundenheit zu identifizieren – durch eine interne Bestandsaufnahme, durch Gespräche mit Mitarbeitern und Management und – genau – mit Kunden. Oft kommen dabei eine oder mehrere der folgenden Handlungsfelder in Betracht:
- Fehlende Ambition, das heißt ein zufriedener oder sogar nur ein nicht verärgerter Kunde ist ausreichend.
- Fehlende Konsistenz in der Steuerung von Kundenerlebnisses, das heißt Kundenerlebnisse sind abhängig von der Tagesform einzelner Mitarbeiter im Kundenkontakt oder sonstigen Umständen.
- Fehlende Guidelines im Kundenkontakt, das heißt es gibt kein definiertes Zielbild und Richtlinien im Unternehmen für die Gestaltung besonderer Kundenerlebnisse.
- Fehlende Kundenkultur durch ausgeprägtes Abteilungs- bzw. Silodenken, das heißt die Organisation ist primär mit sich selbst beschäftigt, statt den Fokus auf den Kunden zu legen.
- Fehlende Kundenkenntnis bzw. Kundendaten, das heißt das valide Informationen über Kunden und deren Bedürfnisse nicht vorliegen bzw. diese nicht durchgängig im Unternehmen bekannt sind.
Den Rahmen definieren
Kundenverbunden zu werden ist eine Entscheidung. Um allen Mitarbeitern im Unternehmen einen Orientierungspunkt zu geben, braucht es einen gemeinsamen Nordstern und Handlungsleitfaden. Dieser gilt übergreifend für das ideale Kundenerlebnis in Ihrem Unternehmen. Dieser Rahmen schafft eine einheitliche Kalibrierung der gesamten Organisation auf das Kundenerlebnis durch die Definition einheitlicher Verhaltensprinzipien für eine Marke. Damit werden konsistente, hochwertige Markenerlebnisse sichergestellt – von der Begrüßung, zur Produktdemonstration bis zur Beschwerde und zum Servicefall.
Die Marke als Impulsgeber für einzigartige Kundenerlebnisse nutzen
Die Positionierung der Marke ist ein wichtiger Impulsgeber für das Kundenerlebnis. Was gibt es nur bei Ihrer Marke? Was macht genau diese Interaktion so besonders? Gelingt es einer Marke, vorauszuschauen und das eigene Markenversprechen dafür zu nutzen, differenzierende Akzente zu setzen, so wird die Marke zum echten Customer Centricity Booster. Ihre Marke macht Kundenzentrierung im Ergebnis dadurch glaubwürdiger, wirkungsvoller und effizienter. Wirklich kundenverbundene nutzen ihr Markenversprechen, um einzigartige, nicht kopierbare Erlebnisse zu bieten.
Vier Handlungsfelder für mehr Kunde im Unternehmen
Organisationen und Kultur sind komplexe Ökosysteme. Es gibt keine allgemeingültige Blaupause oder Schritt-für-Schritt-Anleitung für Organisationsentwicklung. Bei Veränderungsprozessen haben sich jedoch vier Handlungsfelder herauskristallisiert, die es zu beachten gilt bei der Transformation zur kundenverbundenen Organisation:

Abb.: Vier Handlungsfelder zum Aufbau einer kundenverbundenen Organisation (Quelle: Autor)
Handlungsfeld 1: Das Topmanagement geht voran
„Wenn es für meinen Chef wichtig ist, ist es auch wichtig für mich.“ Kundenverbundene Unternehmen haben das Thema Kunde auf der Agenda stets ganz oben. Durch die Schaffung von regelmäßigen Steuerungskreisen oder die konsequente Verzielung und Bonifizierung von Mitarbeitern hinsichtlich definierter, kundenbezogener Ziele gelingt es Führungskräften dieser Organisationen, Kundenkultur auf allen Leveln aktuell und relevant zu halten.
Handlungsfeld 2: Kunde ist Teil jeder Abteilung
„Mit Kunden habe ich nichts zu tun, dafür gibt’s ja den Vertrieb“ – kommt Ihnen dieser Satz bekannt vor? In der Tat sind die meisten Prozesse in einzelnen Abteilungen ausschließlich an internen Zielen und rein funktional ausgerichtet: Der Vertrieb soll Umsatz machen, die Personalabteilung die Fluktuation gering halten und der Einkauf soll Einsparungen realisieren. Das Ziel „Kundenerlebnis“ taucht dabei selten auf und steht sogar vielleicht im Konflikt zu anderen Zielen – zumindest auf kurze Sicht. Langfristig bedeutet gelebte Kundenkultur wirtschaftlichen Erfolg.
Handlungsfeld 3: Kunde ist nicht abstrakt sondern Daily Business
Kundenfokus muss im Tagesgeschäft eines jeden einzelnen Mitarbeiters ankommen, nur so wird das Thema wirklich greifbar. Mitarbeiter, sowohl mit direktem Kontakt zum Kunden, also auch ohne, müssen auf operativer Ebene befähigt werden. Es gilt, Standards und Guidelines als Orientierung zu definieren und Mitarbeiter sowohl fachlich, als auch hinsichtlich ihrer Beziehungskompetenz zu trainieren.
Handlungsfeld 4: Kunde präsent halten
Die Botschaft in diesem Handlungsfeld ist klar: „Unser Kunde ist wichtig – und Du trägst dazu bei!“ Den Kunden ins Zentrum zu stellen bedeutet also auch, dies auch präsent und greifbar im Unternehmen zu kommunizieren. Als Mitarbeiter eines wirklich kundenverbundenen Unternehmens „springt“ einem dieser Anspruch ständig entgegen, z.B. im Rahmen der internen Kommunikation, Wettbewerbe oder spezielle Aktionstage – der Mix und die Regelmäßigkeit sind dabei entscheidend.
Noch tiefer einsteigen können Sie im Buch Kundenverbunden, das 2024 im Verlag Springer Gabler erschienen ist. Die Printausgabe und das E-Book sind unter anderem hier erhältlich.
Neugierig geworden? Leseprobe hier als PDF kostenlos herunterladen.
Weiterführende Inhalte
Kundenbegeisterung auf Knopfdruck?
Rund jedes fünfte Unternehmen greift im Kundenservice bereits auf KI-gestützte Technologien zurück. Ob und wie KIs das Kundenerlebniss verbessern können, lesen Sie im Blogbeitrag von Marina Macha, ebenfalls G&P.
Customer Journey optimieren im B2B – Best Practice
Wie können Sie Ihre Customer Journey konkret optimieren? Lesen Sie im Interview mit Milos Kojic, HERMA, einen Industrie-Best-Case mit konkreten Erfahrungswerten.
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