Wie schaffen wir ein digitales deutsches Wirtschaftswunder? – 5 Impulse
Trotz der längst allgegenwärtigen digitalen Transformation haben viele B2B-Unternehmen noch großen Nachholbedarf in vielen Bereichen: Eine digitale Durchdringung hat noch nicht stattgefunden und auch das Umdenken in den Firmen geht nur schleppend voran. Was ist zu tun? Expertise holen, Wissen teilen, Zäune einreißen!
Inhaltsverzeichnis
Raus aus dem deutschen B2B-Silo!
Kämpfen Sie auch gegen die Windmühlen Ihrer Unternehmensstruktur? Die Geschäftsleitung erwartet positive Verkaufsentwicklungen, der Vertrieb beurteilt sich als besten Kenner der eigenen Kunden und sieht die Marketing-Kommunikation in der Pflicht, passgenaue Informationen und Live-Events zur Verkaufsunterstützung zu liefern. Das Fundament des Erfolges sowie der Wert einer Marke liegen laut Produktmanagement fast ausschließlich bei der Qualität der Produkte, die Performance der Abteilungen Marketing und Vertrieb wird selten in diesem Kontext als gewichtig erachtet. Und das Controlling oder die IT-Abteilung? Sie spielen eine zunehmend wichtige Rolle in zahlengetriebenen Zeiten, stehen aber meist wenig inhaltlich im intensiven Austausch mit den anderen Bereichen. Der Kenntnisstand der Kollegen im Bereich Zukunftstechnologie und Prozessoptimierung könnte heterogener nicht sein, es fehlt das gemeinsame validierte Grundverständnis der Begrifflichkeiten.
Wer nach wie vor so aufgestellt ist, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Wir befinden uns am Anfang eines tiefgreifenden Wandels quer durch alle Bereiche, der extremer nicht gedacht werden kann.
Digitale Durchdringung – oder spielen Sie noch Buzzword-Bingo?
Leider ist das Niveau der Digitalisierung von Mitarbeitern und Strukturen in deutschen B2B-Unternehmen im Durchschnitt nach wie vor mangelhaft, wie auch das bvik-Trendbarometer belegt. Die Spitzenreiter im Buzzword-Bingo sind Data Analytics, Agilität und Artificial Intelligence. Doch was für die einen agil ist, ist in der Realität höchstens als flexibel zu bezeichnen, der Löwenanteil der erfassten Daten wird nicht oder nicht zielführend ausgewertet, denn meist fehlt es an Know-how und zeitlichen Ressourcen. Innovation und Agilität schreibt man sich selbstbewusst auf die Fahnen, aber die dafür nötige „Beta-Mentalität“ mit einer gesunden Fehlerkultur ist weder bei Verantwortlichen noch bei Mitarbeitern in Grundzügen vorhanden. Es dominiert die Mentalität der Lasten- und Pflichtenhefte, nicht die von „inspect and adapt“. Daher sollten Sie sich für die erste Analysephase versierte und digitalisierungserfahrene Experten ins Haus holen, die Sie bei der Grundlagenarbeit unterstützen. Jedes Unternehmen braucht heute zwingend ausgewiesene Datenspezialisten um das Thema Big Data und Datenanalyse durchschlagkräftig zu machen. Digitalisierung ist Chefsache – stehen die Führungsetagen nicht hinter Ihnen als innovativen Digitalmarketer, kämpfen Sie vermutlich auf verlorenem Posten.
(In diesem Kontext sei auch der Blogbeitrag „Agilität im Marketing“ unseres Gastautors und Mitglieds Bernd Kleinschrod empfohlen, der die Basics agiler Prozesse erläutert.)
Gehen Sie in die Challenge des Change-Prozesses!
In Zeiten, in welchen die Kunden den Takt vorgeben, die Zahl der Kanäle mit ihren spezifischen Anforderungen explodieren, AI und IoT Einzug halten oder auch im B2B eCommerce bzw. der Vertrieb über Marketing-Plattformen bedeutsamer werden, haben sich die Gesetze des Erfolges verändert. Grundsätzlich ist nach wie vor von einer Trägheit des Menschen auszugehen und die Bereitschaft seine Prozesse und Strukturen grundlegend auf den Kopf zu stellen, folgt keiner intrinsischen Motivation. Change-Prozesse sind unliebsam, schmerzhaft und gehen nie ohne Spuren an Abteilungen und Unternehmen vorbei. Leider bleibt uns keine Wahl, wenn wir weiterhin in der Welt-Liga auf höchster Ebene mitspielen wollen. Doch bei der nachweislichen Innovationskraft der deutschen Industrie und Agenturlandschaft muss es möglich sein zu verhindern, dass die Digitalisierung der Branche den Boden entzieht wie der Verlags- und Druckbranche bereits vor über 10 Jahren. Der Fokus muss rasch auf die neuen Kompetenzen, Aufgaben und Möglichkeiten gelegt werden, überholte Geschäftsmodelle müssen auf den Prüfstand und zur Not über Bord. Eine profunde Analyse des Ist-Standes und eine genaue, datengestützte Marktuntersuchung sind wichtige Voraussetzungen. Diese Erkenntnis ist der erste Schritt, um schnell erste notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Nicht jeder kann alles können – auch in kleineren Unternehmen brauchen Sie zukünftig neben Ihren Kommunikations-Tausendsassas vor allem ausgewiesene Fachleute für bestimmte Teilbereiche, die Sie nicht extern vergeben wollen.
Denken im Wandel – raus aus der Komfortzone!
Unsere Arbeitsweise entspricht in weiten Teilen der Industrie nach wie vor den Strukturen der industriellen Revolution. Doch bei zunehmend komplexen Themen in der digitalisierten Welt knirscht es gewaltig im Getriebe der Innovation. Co-Working-Spaces und New-Work-Modelle bringen ganz neue Formen der kollaborativen Zusammenarbeit ins Spiel, die in den Digitalisierungs-El-Dorados Silicon Valley und Shenzhen schon lange gelebt werden. Der Erfolg der Giganten Amazon, Google oder Tencent beruht im Wesentlichen darauf, die Bedarfe der Stakeholder mit immer raffinierteren Analysemethoden zu eruieren und zu befriedigen, bevor es andere tun. Aufgrund von User-Daten werden ganz neue Geschäftsmodelle entwickelt, die fortlaufend getrackt, bewertet und optimiert werden. Allein der permanente Wandel hat Stabilität – dies erfordert eine Mentalität, die uns Deutschen wesensfremd ist. Es kostet Überwindung, sich auf die gänzlich neuen Denk- und Arbeitsweisen einzulassen oder bewusst sehr früh mit nicht perfekten Lösungen zu Testzwecken aus der Deckung zu kommen. All das, was bislang Planungssicherheit des Sesshaften bedeutet hat, muss nun dem Mindset des digitalen Jägers und Sammlers weichen. Provokant gesagt: If you don‘t leave the comfort zone you will end up in a shit zone!
(Interessante Aspekte zu diesem Thema liefert der Blog-Beitrag „Ihr digitales Marketing ist tot. Mausetot.“ von Ömer Atiker.)
Kämpfen Sie um die kreativen Köpfe in der Kommunikation!
„Dialog ist das neue Marketing“, sagte Daniel Backhaus beim bvik-Workshop „Digitale Brutstätten – digitales Marketing als Initiator und Treiber digitaler Geschäftsmodelle“. Dieser Gedanke ist nicht neu, aber der Digitalisierungsexperte bringt es auf den Punkt: Für zukunftsorientierte und echte Kundenkommunikation muss viel mehr Budget als aktuell eingeplant werden um die digitale Reise potenzieller Interessenten und Käufer von heute und morgen sinnhaft zu begleiten. Gestalten Sie die Touchpoints Ihrer Kunden konform Ihrer digitalen Unternehmensstrategie! Sollten Sie sich über diese nicht im Klaren sein, überzeugen Sie Ihre Geschäftsführung von einem abteilungsübergreifenden Projekt, in dem Entscheidungsträger aller relevanten Abteilungen mitsprechen. Und bauen Sie Ihre Kompetenzen im Bereich Marketing und Kommunikation mit echter Expertise aus! Erfolgsentscheidend sind die Talente und die gezielte Weiterqualifizierung der eigenen Fachkräfte. Mitarbeiter erwarten mittlerweile mehr Möglichkeiten zur Selbstbestimmung und Partizipation.
Die Referenten des TAG DER INDUSTRIEKOMMUNIKATION 2018 waren sich einig: Auch in Deutschland ist noch ein digitales Wirtschaftswunder möglich, da die Welt in ihrer digitalen Transformation noch ganz am Anfang steht. Ob diese gelingt, wird im Mittelstand und nicht bei den Großkonzernen entschieden, denn sie sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Höchste Zeit also, auf den Zug in die digitale Zukunft aufzuspringen und das Marketing in seiner Rolle als Vorreiter mit den besten Talenten zu verstärken.
Wissen teilen, Zäune einreißen und kollaborativ arbeiten!
Was wäre die Vision? Digitalisierung ist in allen mittelständischen Unternehmen Chefsache. Manifestierte Silos von Marketing, Vertrieb, HR und IT beispielsweise werden zunächst in den Köpfen und dann in den Arbeitsformen aufgebrochen. Es werden interdisziplinäre Teams von Experten mit unterschiedlichem und zweckdienlichem Background zusammengestellt, die dann mit agilen Methoden, zukunftsfähigen Tools und in echter Kollaboration weltweit zusammenarbeiten. Datenexperten begleiten den Prozess, messen die Erfolge und spielen die relevanten Erkenntnisse in alle Abteilungen zurück. Das Marketing analysiert durch geschickt aufgebaute Kampagnen den Bedarf der Zielgruppen und das Produktmanagement trägt diese Erkenntnisse sofort in die Weiterentwicklung der Produkte und digitalen Services zurück. Erfolgreiche Geschäftsmodelle werden ausgebaut, die Unternehmensmarke in aller Konsequenz als Vertrauensgarant gestärkt und durch hochwertige neuartige Serviceangebote untermauert. Die Mitarbeiter bringen ein profundes Grundverständnis von Daten und Programmierung mit – selbstverständlich erworben bereits ab dem Grundschulalter und intensiviert in einem fortdauernden Lernprozess, die auf Data Analytics beruhen. Trotz aller datengetriebenen Schnelllebigkeit sind Authentizität, Grundwerte und Nachhaltigkeit die Fundamente.
DSGVO als Vorteil für die Marke nutzen!
Auch wenn gerade in Deutschland und Europa aufgrund mangelhafter digitaler Infrastruktur und rigider Vorgaben durch verschärfte Datenschutzrichtlinien die Entwicklung erschwert ist, so steckt nach wie vor ein großes Innovationspotenzial in unseren Weltmarktführern. Der hohe Datenschutzstandard mag jetzt ein Nachteil sein, aber der dadurch generierten Vertrauensbonus der Nutzer kann langfristig ein Vorteil auf dem Weltmarkt werden. Es muss eine von oben gesteuerte Bereitschaft zum Teilen von Wissen in der Firmenkultur implementiert werden, um gemeinsam neue Geschäftsfelder zu erschließen. Das weltweite Vertrauen in unsere Marken ist nach wie vor groß, mit diesem Pfund müssen wir digital wuchern.
New Business – New Marketing – New Culture
Und auch das Marketing sollte jetzt die Chance ergreifen, seine Rolle im Unternehmen neu zu definieren, seinen Radius zu erweitern, die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle zu treiben und zum “Leader of Change” zu werden. Unter dem Motto “New Business – New Marketing – New Culture” diskutieren Experten aus Wissenschaft und Praxis beim TAG DER INDUSTRIEKOMMUNIKATION, wie dies gelingen kann und geben einen Ausblick auf das B2B-Marketing der Zukunft. Verpassen Sie nicht dieses Leuchtturm-Event des bvik und teilen auch Sie beim Networking Ihre Erfahrungen mit Branchenkollegen!
Autorin: Tanja Auernhamer, Leitung der bvik Geschäftsstelle