Markenwissenschaft 2.0 – So wurde Ottobock zur Co-Creation-Marke!
Der Wandel im B2B-Marketing verändert auch die Markenführung nachhaltig. Für Marketer ist es deshalb wichtig, passende Informationen zu bekommen. Dr. Carsten Baumgarth, Professor für Marketing – insbesondere Markenführung – erklärt, warum er deshalb einen eigenen Instagram-Kanal ins Leben gerufen hat, und wie Ottobock zur Co-Creation-Marke („Mitmach-Marke“) wurde.
Marketing und Markenführung wandeln sich dramatisch: KI, Digitalisierung, Sprachassistenten, Robotik, Purpose, Corona, Black Lives Matter,… sind nur einige Schlagworte, die den Umfang und die Dynamik des Wandels zeigen. Sie als Marketer oder Dienstleister (Berater / Agentur) benötigen dringend Antworten auf neue Fragen. Aber wo findet man diese? Im Internet!
Inhaltsverzeichnis
Erkenntnisse der internationalen Markenwissenschaft
Da die Halbwertszeiten vieler Artikel und Beiträge auf unterschiedlichsten Plattformen und Portalen häufig sehr kurz und die Aussagen wenig fundiert sind, ist es wichtig, die passenden Kanäle zu identifizieren. Die Symbiose von Wissenschaft und Praxis spielt dabei eine wichtige Rolle. Genau dies möchte ich mit meinem neuen Instagram-Kanal „Brückenbau Marke -Wissenschaft trifft Praxis“ bieten. Und was erwartet mich dort? – Viele neue und bewährte Erkenntnisse der internationalen Markenwissenschaft. Jede Woche publizieren wir eine neue Episode. Eine Beispiel-Episode soll die Idee des neuen Kanals verdeutlichen.
Co-Creation-Marke: Best Case Ottobock
In einem 2020 veröffentlichten Paper habe ich zusammen mit zwei Kollegen die Entwicklung der typisch deutschen High-Tech-Marke Ottobock untersucht. Dabei ging es darum, herauszufinden, wie sich Ottobock zu einer starken Co-Creation-Marke entwickelt hat. Co-Creation stellt seit einigen Jahren in der internationalen Markenwissenschaft eines der am stärksten untersuchten Phänomene dar. Im Kern geht es darum, dass eine Marke heute nicht mehr alleine vom Management geführt und kontrolliert wird, sondern diverse Stakeholdergruppen wie Mitarbeiter, Kunden, Partner etc. die Marken-Bedeutung, egal ob man das will oder nicht, durch Social Media, Word-of-Mouth und gemeinsame Produktentwicklung (z. B. Open Innovation, Lead User) mitgestalten. Wir sprechen daher auch plakativ von „Mitmach-Marken“. B2B-Marken können diese neue Realität nicht negieren, da diese auch ohne Einwilligung durch den Markeninhaber täglich und tausendfach weltweit passiert. Aber Marken können sich öffnen (z. B. aktives Zuhören, Netzwerke und Orte für die Kooperation mit Start-ups etablieren, Lead-User identifizieren und in die Entwicklung einbinden) und damit das Co-Creation kuratieren.
Vier Phasen der Transformation
Aber wie hat es Ottobock geschafft, sich von einem High-Tech-Produkteanbieter zu einer Co-Creation-Marke zu entwickeln? Dazu haben wir Workshops durchgeführt, Interviews geführt, Materialien wie Brand Books gesichtet, Sekundärquellen zu Ottobock ausgewertet und eigene Beobachtungen durchgeführt. Diese gesamten Informationen wurden dann mit Hilfe eines Modells inhaltsanalytisch ausgewertet. Am Ende konnten wir vier Phasen der Transformation identifizieren:
- In der ersten Phase verfolgte Ottobock ein Marketing für High-Tech-Produkte.
- In der zweiten Phase wurde das Markenmanagement professionalisiert (z. B. Positionierung festgelegt, modernes Branding entwickelt).
- Danach erfolgte in einer dritten Phase eine interne Verankerung der Marke bei allen Mitarbeitern.
- In der vierten und letzten Phase öffnete sich die Marke und wurde zu einer Marke, die das Co-Creation erfolgreich kuratiert.
Fazit
Wir folgerten aus diesem Best-Practice-Beispiel, dass Co-Creation als aktive Option erst dann erfolgreich ist, wenn die Hausaufgaben im Marketing (Professionalisierung der Markenführung) gemacht sowie die Verankerung der Markenwerte und des Markendenkens im Unternehmen (Marke leben) erfolgt sind.
Diese Fallstudie haben wir 2020 im Top-Journal Journal of Business Research publiziert.
Aber kennen Sie das Journal und lesen Sie das auch regelmäßig? Ich würde schätzen, dass Sie beide Fragen mit „nein“ beantworten. Wenn dem so ist, sind Sie aber kein Ausnahme-, sondern der Regelfall. In einer Studie vor einigen Jahren zeigte sich, dass die Top-Management-Journals bei Praktikern nur eine gestützte Bekanntheit (ganz zu schweigen vom Lesen) von 0 – 35 % aufwiesen. Auch die schiere Masse an wissenschaftlichen Studien macht es unmöglich, diese als Praktiker wahrzunehmen, zu lesen, zu verstehen und anzuwenden. Nach unserer Schätzung wurden alleine 2019 in den wichtigsten wissenschaftlichen Marketing-Journals (nach dem Verband Hochschullehrer Betriebswirtschaft sind das immerhin 104 (!) Zeitschriften) rund 5700 Artikel veröffentlicht.
Instagram-Kanal „Brückenbau Marke -Wissenschaft trifft Praxis“
Mein neuer, im Juli 2020 gestartete Instagram-Kanal „Brückenbau Marke -Wissenschaft trifft Praxis“ will diese Lücke schließen, dadurch dass wir die besten Beiträge der internationalen Forschung auswählen und die zentralen Ergebnisse in deutscher Sprache und fast ohne Statistik möglichst einfach in kurzen Podcasts (fünf bis zehn Minuten), Videos, Interviews etc. darstellen.
Ich lade Sie herzlich ein, den Kanal zu besuchen, zu stöbern und sich inspirieren zu lassen. Mein Team und ich freuen uns auf Ihren „virtuellen“ Besuch und freuen uns natürlich über Follower, Likes, Kommentare und Teilen des Kanals in Ihren Netzwerken. Denn am Ende gilt: Es gibt nichts Wertvolleres für die Markenpraxis als eine (gute) Markenwissenschaft!