‚Flurfunk‘ fördert Kreativität und Innovationen – Homeoffice Vor- und Nachteile

Homeoffice – na klar? Das Remote-Arbeiten hat Vorteile. Aber nicht nur. Nicht erst seit Elon Musks medienwirksamen Drohung, alle Manager an die Luft zu setzen, die nicht mindestens 40 Stunden in der Woche im Büro vor Ort arbeiten, wird Homeoffice kontrovers diskutiert. Denn wie sich über die Monate von Lockdown und ähnlichem inzwischen gezeigt hat, scheint das Homeoffice durchaus auch Nachteile mit sich zu bringen. 

Gerdt Fehrle, Prospero PR
Gründer und Geschäftsführer

Gerdt Fehrle leitet seit 23 Jahren die auf technische B2B-Fachpresearbeit spezialisierte Agentur Prospero. „Unser Motto lautet: Technik. Einfach. Kommunizieren.“ Der studierte Germanist und Philosoph ist Kommunikations-Experte für den Maschinen- und Anlagenbau, Journalist, Autor, zertifizierter Business-Coach (Quadriga Hochschule, Berlin).

Gerdt Fehrle auf LinkedIn, Xing und der Marketing-Börse.

Bildquelle: Prospero PR / Raimund Verspohl Portraits

 

Homeoffice – ja klar!

Seit der Krise ist das Homeoffice vielerorts zum Normalfall geworden. Und zahlreiche Beschäftigte wollen das Remote-Arbeiten nicht mehr missen. Verständlich. Es erspart morgens den Weg ins Büro. Häufig ist das Arbeiten selbst produktiver, weil ungestört. Zudem, nicht ganz unwichtig in der Beurteilung von Homeoffice durch die Arbeitnehmer, erleichtert es natürlich die Vereinbarkeit von Job und Familie. Was auch wichtig ist, solange die vereinbarten Rahmenbedingungen zwischen Unternehmen und Homeoffice-Arbeitenden eingehalten und die Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt werden.

Ideal scheint Homeoffice zumindest für die ‚White-Collar-Kopfarbeiter‘, also Autoren, Texterinnen, Lektorinnen, Leute aus der Grafik, Marketing- und PR-Schaffende, intern wie extern. Zumindest auf den ersten Blick. Soweit die Arbeitnehmer-Perspektive.

Auch die Unternehmen sehen die Vorteile. Sie können ihren Teams eine bessere Work-Life-Balance bieten. Sie kommen deren Wünschen nach Flexibilität entgegen. Sie sparen zunächst einmal Kosten ein, wenn sie weniger kostenintensive Bürofläche vorhalten, weniger Energie einkaufen, insgesamt weniger Logistik-Ausgaben rund um den allgemeinen Betrieb tätigen müssen.

Dennoch rechnen die Experten nicht damit, dass Homeoffice zum bestimmenden Arbeitsmodell wird. Im Frühjahr 2022 arbeiteten laut Ifo-Institut rund 28 Prozent aller Angestellten in Deutschland regelmäßig von zu Hause aus. Branchenübergreifend. Allerdings wäre mobiles Arbeiten für mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze möglich, so haben die Forscher herausgefunden.

Statista zeigt einen Homeoffice-Anteil für die Gesamtwirtschaft im August 2022 von 35,5 Prozent auf, im verarbeitenden Gewerbe, zu dem die Produktion im Maschinen- und Anlagenbau, bzw. in der Industrie gehört, mit 15,3 Prozent ziemlich genau die Hälfte. Der Anteil an Homeoffice-Arbeit hat sich also über das Jahr 2022 zumindest für die Gesamtwirtschaft nochmals leicht erhöht.

Auch bei Vertrieb und Sales könnten die Zeichen der Zeit auch im Industrie-Sektor in Richtung Homeoffice deuten. So organisiert etwa Christian Schmidt von Sebotics, einem Schweizer Anbieter von Service-Robotern in Gastronomie, Hotellerie und anderen Branchen, seit Jahren Vertrieb und Sales von Bochum aus, während das Unternehmen selbst bei Lausanne sitzt und die Kunden im gesamten DACH-Raum.

„Entscheidend für eine erfolgreiche Vertriebs- und Sales-Tätigkeit aus dem Homeoffice heraus ist es meiner Erfahrung nach, täglich wiederkehrende Routinen anzuwenden. Ferner Nachfassen und Follow-ups regelmäßig verfolgen. Mir hilft eine tägliche To-do-Liste, die ich abarbeite und somit plan- und messbar Ergebnisse erziele. Dann ist es wichtig, einen engen Austausch und ein offenes Miteinander im Team zu pflegen. Wir bei Sebotics tauschen uns ganz offen über unterschiedliche Tools aus. So vermeiden wir Silos. Gerade im Homeoffice funktioniert der Vertrieb und Sales für unsere Service-Roboter Bella Bot sehr gut, da ich fokussiert und ohne Streuverluste an Zeit und Konzentration alles sofort bearbeiten kann. Homeoffice bringt für mich als Sebotics-Sales-Manager sichtbar schnellere Ergebnisse.“

 

Homeoffice – nein danke!

Das Statement von Christian Schmidt steht sicher exemplarisch für viele Kopfarbeiter in der Industrie, im Maschinen- und Anlagenbau und überhaupt in den produzierenden Branchen.

Dennoch sieht nach einer Ifo-Studie die Mehrheit der befragten Unternehmen deutliche Nachteile in der Qualität der Zusammenarbeit im Vergleich zur Face-to-Face Begegnung.

Aber warum? Was macht denn den Unterscheid aus, ob sich Mitarbeiter per Zoom, Teams oder persönlich im Büro begegnen? Nun, es scheint es ist die Begegnung.

Tatsächlich zeigt eine Studie der Managementberatung Staufen, dass die Zusammenarbeit in Unternehmen leidet, wenn Kantine und Kaffeeküche als Kommunikationszentrale fehlen. Der informelle Austausch, eben der ‚Flurfunk‘ gilt sogar als das effektivste Kommunikationsmittel eines Unternehmens. Über keine anderen Wege verbreiten sich Nachrichten schneller über alle Hierarchieebenen und Abteilungen hinweg.

Die verbreiteten Nachrichten reichen zum einen von harmlos und unterhaltsam bis rufschädigend. Das ist dann Klatsch oder Mobbing. Eine seriöse Unternehmensleitung wird dagegen einschreiten.

Zum anderen finden aber auch über den informellen Fachaustausch oft genug entscheidende Denkanstöße und kreative ‚Heurekas‘ statt. Unkonventionelle Tipps aus Nachbar-Abteilungen, der berühmte Blick über den Tellerrand öffnet oft schnell und unkompliziert Türen in frische Lösungsräume. Was hinter diesen kommunikativen Prozessen steht, lässt sich dann in überlebenswichtige Begriffe wie Innovation und Wettbewerbsfähigkeit fassen. Und letztlich schlägt sich der ‚Mehrwert der persönlichen Begegnung‘ auch in so entscheidenden Erfolgskriterien wie Unternehmens-Identifikation, Team-Motivation und in weiteren Kennzahlen nieder: am Output des Unternehmens bei Patenten, Produkten und Lösungen.

Führungskräfte sollten somit den Kanal ‚Flurfunk‘ weder psycho-sozial noch innovativ-wertschöpfend unterschätzen. Denn Teams und Belegschaften nutzen den ‚Kaffee-Klatsch‘ produktiver, als kritische Chefs vermuten. Zudem bauen Menschen in Begegnungen Stress ab, fühlen sich einander zugehörig und halten eher zusammen. Soft-Skills, klar. Aber oft genug erfolgsentscheidend.

 

Stichwort ‚Kontrollverlust‘

Mangelnde Kontrolle ist sowohl beim Homeoffice als auch beim Phänomen ‚Teeküche‘ eine Herausforderung für Bosse mit einer bestimmten Führungs-Philosophie.

Chefs können aber entspannt bleiben, wenn sie Mitarbeiter plaudernd in der Teeküche oder am Kaffeeautomaten treffen. Viele Gespräche drehen sich tatsächlich um berufliche Themen. Hier findet häufig eben genau die Vernetzung über Abteilungsgrenzen hinweg statt, die sich einerseits formal nur mit großem Aufwand herstellen lässt. Und die andererseits oft genug den Unterschied macht zwischen gut und exzellent.

Das entgegengebrachte Vertrauen in beiden Szenarien kann sich für Führungskräfte also auszahlen.

 

Praxisbeispiel – Homeoffice Vor- und Nachteile

Als Beispiel wird gerne auf die Firma Xerox verwiesen: Weil sich die Service-Techniker in der Kaffeepause Reparatur-Geschichten und kreative Problemlösungen erzählten, lernten sie ständig dazu: Xerox-Kopierer wurden so immer schneller repariert

Das Beispiel ist aber natürlich auch differenziert zu betrachten und lässt sich so nicht auf alle Berufsfelder anwenden. Dennoch ist es wichtig Räume für den persönlichen Austausch zu schaffen, virtuell sowie vor Ort.

 

Unternehmen als soziale Orte

Das Unternehmen als Ort, an dem Menschen zusammentreffen, sich austauschen, sozial und professionell interagieren und dadurch mehr teilen, ist nach Ansicht des Ökonomen Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Köln, unersetzlich:

„Wir Ökonomen wissen, dass Innovationen – abgesehen vom Tüftler in der heimischen Garage – das physische Zusammentreffen von Menschen, ihr gemeinsames Denken und Fühlen inklusive kontroverser Diskussionen und Reibereien erfordern. Und zwar beiläufig wie organisiert.“

Wichtig: Jour fixe, die über Teams und Zoom abgehalten werden, regelmäßige Updates in Calls und ähnliche Routinen ersetzten den Flurfunk nur bedingt. Die Reduzierung des Miteinanders auf solche Slots führe zu Verlusten bei der Innovationskraft, bei der sozialen Bindung und bei der Reaktionsmöglichkeit des Arbeitgebers auf individuelle Krisen.

Nicht zuletzt beruhe Unternehmenskultur, in der sich Werthaltungen, Traditionen und Umgangsformen manifestieren, auf dem Zusammensein am Arbeitsort und „auf dem Erleben des anderen in all seinen Dimensionen“. Organisierte Feiern und Ausflüge seien kein Ersatz dafür. Diese Brücke in den digitalen Raum zu schlagen ist sicherlich nicht einfach und braucht innovative, zukunftsorientierte Ansätze.

„Fluide Belegschaften erlangen ihre Identität dann auch nicht über eine Feierkultur, sondern nur über eine Unternehmenskultur, die Freud und Leid, Kooperation und Konflikt zu adressieren vermag.“

Die Bedeutung des Unternehmens als sozialer Ort zeigt auch eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts „Arbeiten in der Corona-Pandemie“ .

 

Faktor ‚Mensch‘

Außer der Identifikation spricht auch die Art des menschlichen Lernens gegen dauerhafte Arbeit ausschließlich im Homeoffice. Das hat der Techniksoziologe Johannes Weyer von der TU Dortmund bestätigt. So sei Wissensmanagement im Unternehmen über interne Wikis zwar sinnvoll, wenn es um Daten und Fakten geht. Prozesswissen jedoch, also die Frage, wie man etwas macht, lasse sich nicht digital vermitteln, sondern nur Face-to-Face. Menschen würden durch Nachahmung, Vertrauen und Übung lernen. Und das funktioniere nur analog. Auch über Chats sei die Kommunikation formal und lasse keine Zwischentöne zu.

Das sieht auch Merle Gith vom Glockenbach-Verlag so:

„Ich arbeite prinzipiell lieber im Büro. Wir sind ein kleines, kreatives Team und viele unserer Ideen entstehen bei spontanen Gesprächen in der Teeküche, auf dem Flur oder über den Schreibtisch hinweg. Wir beflügeln uns dabei gegenseitig – das möchte ich nicht missen. Auch Fragen oder Unklarheiten können im Büro schnell besprochen werden. Zudem ist der Arbeits-Komfort im Büro wesentlich höher: Ich arbeite mit zwei großen Monitoren, habe Drucker, Scanner und alle Unterlagen sofort zur Hand.“

 

Fazit

Homeoffice oder Präsenz – ist das überhaupt die richtige Fragestellung? Eher nicht. Denn wie gehört, haben Remote und Arbeiten im Homeoffice bei bestimmten Aufgabenstellungen oder unter den richtigen Umständen zweifellos ihre Berechtigung. Viele persönliche Faktoren spielen dabei ebenfalls eine Rolle und am Ende macht es wohl die Mischung. Zudem ist die Relevanz im Bereich Employer Branding nicht zu verachten. Diese Flexibilität wird von Arbeitnehmern häufig gefordert und von Unternehmen oft auch angeboten.

Wirklich kreativ und innovativ aber werden Menschen nur im Dialog. Da muss man, egal was man sonst von ihm halten mag, Elon Musk zweifellos zustimmen. Hier ist digital sicherlich noch einige Arbeit zu leisten, um entsprechende Räume für den nachhaltigen Erfolg zu schaffen.


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