Metaverse: Begriffsklärung und Relevanz für die B2B-Branche

Seit Mark Zuckerberg 2021 in seiner Keynote „The Metaverse and How We’ll Build It Together — Connect 2021“[1] die Neuausrichtung und Umbenennung Facebooks in „Meta“ bekannt gab, ist dem Begriff „Metaverse“ nicht mehr zu entkommen.

Sven Köppel, wirDesign

Digital und Marketing Strategist

Sven Köppel ist Digital- und Marketing-Stratege bei der Marken- und Designagentur wirDesign. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich des digitalen Marketings und der Schaffung von Markenerlebnissen.

Bildquelle: privat

 

Was man da hörte, klang futuristisch: Leben in digitalen Welten, Avatarisierung, MetaverseÖkonomie und so weiter. Doch wie weit sind wir heute im Business-Bereich überhaupt schon ins Metaverse vorgedrungen?

Die Zukunft des Internets

So wie wir uns in den 1990ern nicht vorstellen konnten, wie selbstverständlich wir heute Produkte konfigurieren, online einkaufen, bezahlen, uns austauschen, ja nahezu alle Tätigkeiten des Alltags online erledigen, so schwer fällt es uns jetzt, das Metaverse zu erfassen.

Begreift man jedoch das Metaverse als eine Art nächste Version des Internets, wird es etwas fassbarer: eine begehbare, dreidimensionale, multifunktionale und interoperable Version sozusagen.

Drei Dimensionen des Metaverse

Das Metaverse ergibt sich aus der Schnittmenge der Bereiche Extended Reality Interfaces, Web3-Technologien und Plattformen.

 

 Drei Dimensionen des Metaverse

 

  1. Interfaces: Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) oder eben Mixed Reality (MR) sind Interface-Technologien, die es den Nutzern ermöglichen, das Digitale immersiver nahtlos verbundener mit der Realität zu erfahren.
    Man taucht umfassend in eine virtuelle, dreidimensionale Realität ein, statt nur zweidimensionale Bildschirme anzustarren.
  2. Web3: Hierunter versteht man die nächste technologische Evolutionsstufe des Internets. Das Web3 umfasst verschiedene Technologien, die neue Erfahrungsdimensionen für Nutzer*innen ermöglichen. Durch die Blockchain können dezentral Besitzrechte unabhängig von Dritten (wie zum Beispiel Google) gehandelt werden. Hinzu kommen Weiterentwicklungen der Cloud-Technologie und schnellere Datenverbindungen (Bsp.: 6G), die wiederum komplexere Rechenleistungen mit schnelleren Datentransfers ermöglichen.
  3. Plattformen: Neue Formen von digitalen Plattformen dienen als Anlaufpunkt, um die Möglichkeiten von VR/AR und Web3-Technologie in Nutzererfahrung umzuwandeln. Sie stellen den virtuellen (Daten-)Raum dar, durch den Nutzer*innen sich in Form von Avataren bewegen. Dort kommunizieren, spielen, erschaffen und handeln Menschen und Unternehmen mit virtuellen Gütern.
    In der Metaverse-Vision verfügen wir über eine eindeutige virtuelle Identität, die wir von Plattform zu Plattform mitnehmen können, ebenso wie unsere digitalen Produkte. Anders als heute, wo Account und digitaler Besitz an die jeweilige Plattform gebunden sind.

 

Ein Stück Zukunft in der Gegenwart

Die Frage, wie viel Zukunft in der Gegenwart bereits angekommen ist, liegt auf der Hand. Geht es hier nur um Technologie-Visionen oder gibt es bereits erste metaversische Use Cases? Vor allem im Bereich der B2B- und Industrieunternehmen, abseits der großen B2C Brands wie Nike?

Vorweg: Die folgenden Use Cases stellen alle die Kommunikation in den Fokus.

Virtual Reality (VR) / Augmented Reality (AR)
Dank der steigenden Verbreitung von VR-Brillen gibt es im professionellen Kontext einige Anwendungsfelder, in denen Anwendungsszenarien entwickelt wurden. Zwei Beispiele:

  1. Schulungen und Onboarding (VR)
    Die Bereiche Schulungen und Onboarding für Mitarbeitende bilden relevante Einsatzfelder, in denen über VR immersive Lernerfahrungen vermittelt werden können. Teilnehmer tauchen dabei komplett in eine entsprechend dem Markencharakter gestaltete Welt ein. Über immersive und interaktive Formate können Inhalte deutlich schneller erfasst werden. Im Vergleich zu klassischem Lernen, wie z. B. aus Textmaterial oder Videos, wird Gelerntes dabei leichter behalten, verstanden, wiederholt, aber auch eingesetzt.Ein gutes Beispiel dafür ist der von Bosch erstellte 360-Grad-Rundgang[1] ihrer Wafer-Fertigung in Dresden. Hierüber können sich interessierte Besucher*innen, aber vor allem auch potenzielle neue Mitarbeitende einen immersiven Einblick in die Geschichte der Halbleiterentwicklung und die moderne Produktionsanlage des Unternehmens verschaffen.

Immersiver 360-Grad-Rundgang von BOSCH

 

  1. Digital Twin (VR/AR)
    Im Industrie-4.0-Kontext sind digitale Zwillinge längst angekommen, für Anwendungsfälle wie Product Development und Customization, Predictive Maintenance oder Performance Improvement. Aber auch im Web3 Marketing-Sales-Kontext können digitale Zwillinge eine Rolle spielen.

So nutzt zum Beispiel die EnBW die AR-Technologie zur Visualisierung von geplanten Windkraftanlagen und Solarparks. Sowohl bei der Planung, aber auch bei der Kommunikation mit Anwohnern kommt die App REVisAR[2] zum Einsatz. Die „virtuellen“ Windräder lassen sich dabei nahtlos in die reale Landschaft einfügen und vermitteln einen realistischen Blick auf die Zukunft.

 

AR-App zur Visualisierung von geplanten Projekten[3]

Neben diesen Beispielen gibt es noch eine Vielzahl weiterer Einsatzfelder für AR/VR-Anwendungen. Bei einer repräsentativen Umfrage mit 500 Entscheider*innen des deutschen Mittelstands gaben mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie derzeit schon AR oder VR in ihrem Unternehmen für verschiedene Zwecke einsetzen.

 

Umfrage von wirDesign und Civey[4]

 

Web3-Beispiele

Den stärksten technologischen Hebel des Web3 bilden sicherlich die Blockchain und die damit verbundene Tokenisierung. Besonders NFTs bieten dabei große Chancen für Marketing und Vertrieb. NFT steht für „Non-Fungible“-Token. Darunter versteht man ein digitales, kryptografisches Objekt, das sich durch seine Einzigartigkeit auszeichnet. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um ein Echtheitszertifikat, welches mit einer Datei (Bild, einem Video oder Soundfile etc.) verknüpft und mit einer unveränderbaren Signatur auf der Blockchain gespeichert und einem Eigentümer zugeordnet ist. Im Industrie-4.0-Kontext sind diese Technologien schon verbreitet. Doch was bietet die Technologie für den Vertriebs- und Marketingsektor? Schauen wir uns hier einmal zwei Use Cases an.

  1. CRM und Token Gating
    Besonders Kundenbindungsprogramme können von der NFT-Technologie profitieren. Dabei ersetzt das Wallet (eine Art digitaler Geldbeutel) den klassischen Nutzer*innen-Account. Der Beziehungsstatus wird dann über NFTs verwaltet, sodass Besitzer*innen bestimmter NFTs in den Genuss von Vorteilen kommen.

Die Kaffeehauskette Starbucks hat NFTs zu ihrem rund 27 Mio. Mitglieder starken Kundenbindungsprogramm „Starbucks Rewards“ hinzugefügt. Mit „Starbucks Odyssey“[5] können sich Kund*innen Zugänge zu exklusiven Leistungen, wie bspw. dem Besuch einer Kaffeeplantage in Costa Rica, erarbeiten oder erkaufen.

 

NFT CRM Programm Odyssey von Starbucks

 

Aber auch im B2B-Sektor eröffnen sich hier neue Chancen. Über Token-Gated-Zugänge können Rechte an speziellen Serviceleistungen, die Teilnahme an exklusiven Events oder Preisrabatte verwaltet werden. Was es aber richtig spannend macht: Diese Rechte bzw. die NFTS selbst können theoretisch zwischen Kund*innen gehandelt und so zu eigenständigen, digitalen Produkten werden. Beim Verkauf eines solchen NFTs wiederum kann ein definierter Anteil des Preises zurück an das Unternehmen fließen und so neue Einnahmequellen eröffnen.  

  1. Proof of Attendance (POAP)
    Eine andere Form von Tokens sind POAPs, über die die Teilnahme an einem Event bestätigt werden kann. Dabei wird einfach ein QR-Code vor Ort gescannt, um die Anwesenheit zu bestätigen. Über diese Tokens kann also nachvollzogen werden, wer an welchen Events teilgenommen hat. Diese Information kann dann gezielten Marketingmaßnahmen und einer erweiterten Zielgruppensegmentierung dienen. Auch für interne Schulungen sind diese Tokens effektive Werkzeuge, um die Entwicklung der Mitarbeitenden nachzuverfolgen.

Die Zukunft gehört den Mutigen

Neue Möglichkeiten bedeuten immer auch neue Chancen. Wir befinden uns aktuell noch weit am Anfang des Weges ins Metaverse. Diesen Weg kann jedes Unternehmen aktiv mitgestalten. Dafür braucht es lediglich etwas Mut und die Bereitschaft, ausgetretene Pfade zu verlassen. Mein Appell an Sie: Seien Sie mutig und gestalten Sie die Zukunft aktiv mit!  

 

Zum Weiterlesen:

Web3: Hype oder Chance? Was der deutsche Mittelstand sagt.
In einer exklusiven Studie gemeinsam mit Civey hat wirDesign Entscheider*innen aus dem deutschen Mittelstand gefragt, ob und wo sie Potenziale im Web3 Marketing bei den Themen Metaverse, NFTs sowie Augmented und Virtual Reality sehen. Wir fassen zusammen. https://www.wirdesign.de/einblicke/mittelstand_web3_studie

Chance für Branding: Was kann ein NFT für Ihre Marke tun?
NFTs sind gerade eines der Top-Themen der Marketingwelt. Welche Chancen und Mehrwerte birgt diese Technologie für Marken?
https://www.wirdesign.de/einblicke/nft_usecases

10 Gründe, warum man kein NFT-Projekt braucht.
Mit dem Eintritt in die NFT-Welt und damit ins Web3 tritt ein strategischer Wendepunkt für das Brand Management ein. Um nachhaltig positive Effekte auf die Markenarbeit zu liefern, benötigen NFT-Projekte bestimmte Ausgangsvoraussetzungen. Ansonsten sollten Sie die Finger davon lassen.
https://www.wirdesign.de/einblicke/nft_gruende

 


Weiterführende Inhalte

 

Avatare im Metaverse für die IndustrieIst das Metaverse „fit” für die Industrie?

Lesen Sie mehr zu den möglichen Einsatzbereichen im B2B-Bereich im Blogbeitrag von MRstudios!

 

 

 

 

Quellen

[1] www.youtube.com/watch?v=Uvufun6xer8&t=1s

[2] https://www.youtube.com/watch?v=q96vPIhcsjo

[3] https://www.enbw.com/revisar/

[4] https://www.youtube.com/watch?v=YdiAbs1ZnEk

[5] https://www.wirdesign.de/einblicke/mittelstand_web3_studie

[6] https://stories.starbucks.com/press/2022/starbucks-brewing-revolutionary-web3-experience-for-its-starbucks-rewards-members/