B2B nach digitalem Ruck auf Zukunftskurs
[no_toc] Im Doppel-Interview sprechen Ramona Kaden (bvik) und Prof. Dr. Klaus Thaler (Hochschule der Medien Stuttgart) über die Ergebnisse der bvik-Studie “Digitalisierungsschub 2020 im B2B-Marketing” und erläutern, wie sich die Corona-Krise auf die Digitalisierung deutscher Unternehmen ausgewirkt hat. Die Experten erklären, wie die digitalen Veränderungen Marketing und Kommunikation beinflussen und zeigen Wege auf, die damit einhergehenden Herausforderungen zu meistern.
Inhaltsverzeichnis
bvik: Frau Kaden, gemeinsam mit marconomy und der Hochschule der Medien Stuttgart hat der bvik die Studie „Digitalisierungsschub 2020 im B2B-Marketing” ins Leben gerufen und diese von August bis Mitte September durchgeführt. Wie kam es dazu?
Ramona Kaden: Wir vom bvik führen ja seit 2011 jährlich unsere Studie “B2B-Marketing-Budgets” durch und untersuchen darin wie viel Budget Marketing-Abteilungen in deutschen Industrieunternehmen zur Verfügung steht und wie diese die Etats auf die verschiedenen Töpfe verteilen. In diesem Jahr haben wir die Studie von März bis Mai durchgeführt – mitten hinein in den Ausbruch der Corona-Pandemie. Diese Krise hatte einen großen Einfluss auf die Budgets, aber selbstverständlich auch auf die gesamte Arbeitswelt, die sich grundlegend verändert hat. Als Verband sahen wir es deshalb als unsere Aufgabe, nicht nur die Budgets genauer unter die Lupe zu nehmen, sondern die Auswirkungen auf das Marketing allumfassend zu beleuchten. Aus diesem Grund haben wir passende Partner gesucht, um diese Studie umzusetzen. Marconomy und die Hochschule der Medien Stuttgart haben hier jeweils ihre Expertise eingebracht. Wir sind alle zusammen sehr zufrieden mit der Teilnehmerzahl und den wertvollen Ergebnissen. Während marconomy ein großes B2B-Netzwerk hat, konnte uns die HdM Stuttgart uns wissenschaftlich begleiten. Aus diesem Grund war die Kombination des bvik mit diesen beiden starken Partnern perfekt!
Herr Professor Thaler, können Sie uns erklären, worauf der Fokus dieser Studie lag?
Prof. Dr. Klaus Thaler: Mittels einer Online-Befragung haben wir die aktuellen Herausforderungen und Chancen von B2B-Marketern in der externen und internen Kommunikation – ausgelöst durch die Covid-19-Pandemie – untersucht. Dabei standen nicht nur Industrieunternehmen im Fokus, sondern die gesamte Industrie, Agentur- & Messelandschaft, da die Krise alle Bereiche hart getroffen hat. Die Studie sollte klare Aussagen liefern, wie sich B2B-Marketer aus den verschiedenen Branchen derzeit und in Zukunft aufstellen, wie sie den Auswirkungen der Corona-Krise begegnen und, ob es 2020 einen wirklichen Digitalisierungsschub im Marketing gegeben hat. Mit fast 450 Teilnehmern und der idealen 50/50-Aufteilung zwischen Industrie und Kommunikation haben wir in allen Fragestellungen ein absolut aussagekräftiges Bild erhalten.
Täuscht der Eindruck, dass die B2B-Welt in der digitalen Transformation hinterherhinkt?
Kaden: Aus unserer Sicht kann man dies nicht verallgemeinern. Auch im B2B-Bereich gibt es einige Unternehmen, die schon lange vor der Corona-Krise die digitale Transformation erfolgreich vorangetrieben haben. Dies wurde auch in der Studie ganz deutlich. Hier zeigen sich große Unterschiede zwischen digitalaffinen Unternehmen und Unternehmen, bei denen diese Affinität noch nicht so vorhanden war oder ist. In den kommenden Jahren wird sich jedoch noch einiges tun, auch die Budgets werden zukünftig sicherlich anders verteilt. Was jedoch klar zu erkennen ist, ist eine allgemeine Digitalisierungsoffensive.
Das klingt sehr spannend. Herr Professor Thaler, hat es also einen Digitalisierungsschub gegeben?
Prof. Thaler: Die Zahlen unserer Studie zeigen eindeutig, dass es in diesem Jahr einen echten digitalen Ruck gegeben hat. Fast 60 % der Befragten gaben an, dass sich die digitalen Veränderungen aufgrund der Krise stark bis sehr stark auf ihr Unternehmen ausgewirkt haben. Dabei wurde aber auch deutlich, dass der Digitalisierungsgrad, den die Unternehmen bereits vor der Pandemie hatten, eine Rolle spielt. Denn klar ist: Bereits vor der Krise gab es einige Unternehmen, die eine Vorreiterrolle eingenommen haben und bei denen Digitalisierung schon lange eine große Relevanz hatte. Bei 60 % dieser Unternehmen wurde die Digitalisierung aufgrund der Pandemie weiter vorangetrieben. Nicht digitalaffine Unternehmen berichten von einer geringeren Auswirkung der Veränderungen auf das Unternehmen. Jedoch hat auch bei diesen Firmen eine Sensibilisierung für digitale Themen und Tools stattgefunden.
Welche Auswirkungen hat die Krise speziell auf die Bereiche Marketing und Kommunikation von Industrieunternehmen?
Kaden: Unsere Studie zeigt ganz deutlich, dass die Corona-Pandemie eine starke Auswirkung auf die Kommunikation hat – sowohl intern als auch extern. So haben 86 % der Befragten angegeben, dass die interne Kommunikation von den digitalen Veränderungen durch die Corona-Krise beeinflusst wurde. Auch hier sind digitalaffine Unternehmen, bei denen die digitale Transformation bereits vor der Krise eine große Rolle gespielt hat, stärker betroffen, als digital weniger affine Unternehmen bei denen das Thema digitale Transformation in wenigen bis gar keinen Bereichen eine Rolle spielte. Viele Unternehmen hatten bereits vor der Covid-19-Pandemie verschiedene Technologien wie digitale Kommunikationsplattformen, Messenger- und Videokonferenzdienste und cloudbasierte Dienste im Einsatz. Darüber hinaus hat die Situation mit zunehmenden Homeoffice-Tätigkeiten dazu geführt, dass die Befragten neue Technologien kennengelernt haben. Hierbei zeigen die Ergebnisse eine große Bereitschaft zur Übernahme dieser Technologien wie Live-Chats, Mitarbeiter-Apps oder E-Learning-Tools. Die hohe Übernahmequote ist ein Indiz für die große Offenheit der Mitarbeiter gegenüber der Digitalisierung und ein Zeichen für ein stattfindendes Umdenken sowie einen Wandel in den Unternehmen.
Beeinflussen diese Veränderungen auch grundsätzlich die Marketing-Strategien?
Kaden: Selbstverständlich! Die Krise hat große Auswirkungen auf die Marketing-Strategien der Unternehmen. Im Rahmen unserer Studie gaben über 50 % an, dass die Marketing-Strategie ihres Unternehmens durch die Covid-19-Krise stark bis sehr stark beeinflusst wurde. Dies betrifft vor allem die kleineren Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern. Lediglich 10 % sehen keine Auswirkungen auf die Marketing-Strategie. Durch ausgefallene Messen und dem erschwerten Kundenkontakt wurde die Digitalisierung besonders im Marketing von Industrieunternehmen vorangetrieben. So ist bei den befragten Industrieunternehmen eine starke Tendenz zur vermehrten Nutzung von Online-Marketing-Maßnahmen zu erkennen, wohingegen Print-Maßnahmen immer weniger genutzt werden. Über 60 % der Industrieunternehmen gaben außerdem an, unter den negativen Auswirkungen der Krise auf das Marketing-Budget zu leiden. Sie stehen nun vor der Herausforderung, mit weniger Budget, mehr Kanäle zu bespielen.
Ist das B2B-Marketing diesen Herausforderungen gewachsen?
Prof. Thaler: Marketer stehen vor enormen Herausforderungen und laut der Umfrage fühlen die meisten sich diesen gewachsen. Es freut mich sehr aus der Erhebung erkennen zu können, dass die Marketer den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern positiv bleiben und die Situation annehmen. So stehen über 95 % unserer Studienteilnehmer neuen Technologien sowie der digitalen Transformation in Zukunft offen gegenüber. Keiner der Befragten kann wohl zukünftig auf digitale Technologien verzichten. Diese Offenheit ist ein wichtiges Puzzlestück, um erfolgreich die Zukunft zu gestalten.
Kaden: Hierbei ist zu erwähnen, dass der Anteil der Marketing-Budgets am Jahresumsatz seit Jahren rückläufig ist und es wird vermutlich lange dauern, bis das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht wird. Marketer aus Industrieunternehmen müssen ihre Budgets für 2021 mit harten Bandagen verteidigen und Dienstleister sollten ihren B2B-Kunden als Berater und Partner zur Seite stehen.
Weiterführende Informationen: Ergebnisse aus der diesjährigen bvik-Studie “B2B-Marketing-Budgets 2020”
Worauf wird es bei der Kommunikation mit den Kunden zukünftig ankommen, um erfolgreich zu sein?
Kaden: Die Kundenkommunikation ist komplett anders als je zuvor. Der klassische Vertrieb ist mehr denn je auf das Marketing angewiesen. Besonders wichtig ist es, die Kommunikation von global aufgestellten Unternehmen jeweils auf die lokalen Gegebenheiten anzupassen, die sich zum Teil in sehr verschiedene Richtungen entwickeln. Dieser Umstand erschwert es, Maßnahmen zentral zu steuern. Und auch, wenn es vielleicht abgedroschen wirkt, aber „Content is King!“. Es wird in Zukunft noch wichtiger, den Kunden hochwertigen und relevanten Content, individualisiert auf die Bedürfnisse des einzelnen Kunden bereitzustellen. In diesem Zuge wird die Bedeutung von Marketing Automation elementar wichtig und erfolgsentscheidend. Außerdem ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und Verzahnung von Marketing, Vertrieb und IT unerlässlich. Sie gestalten gemeinsam mit den Kommunikationsdienstleistern eine neue Welt der Customer Experience. Das Silo-Denken gehört nun definitiv der Vergangenheit an. Wir Marketer müssen die veränderte Welt nun als Chance sehen, die es zu nutzen gilt.
Sie blicken also positiv in die Zukunft. Wohin wird Ihrer Meinung nach die Reise im B2B-Marketing gehen?
Kaden: Das liegt wohl in meinem Naturell. Ich bin nämlich grundsätzlich ein sehr positiver Mensch und sehe jede Veränderung und Herausforderung auch als Chance. Deshalb hoffe ich und bin guter Dinge, dass es auch bald wieder möglich ist, Face-to-Face-Kontakte mit Kunden und Partnern zu intensivieren und auf Messen die Produkte und den persönlichen Austausch wieder zu erleben. Denn dies ist im B2B-Bereich elementar wichtig. Dennoch wird es, wie schon erwähnt, zukünftig verstärkt darum gehen, Kunden und Mitarbeiter über digitale Kanäle und ohne den gewohnten persönlichen Kontakt zu binden, Leads zu generieren und neue Kunden zu gewinnen. Hierbei spielen gerade auch die klassischen Themen wie Marke, Identität, Qualität und Vertrauen eine immense Rolle. Die größte Herausforderung besteht darin, unter ihrer Berücksichtigung neue Technologien zu entwickeln und einzusetzen, um die identifizierten Zielgruppen in den Mittelpunkt zu stellen und echte Kauferlebnisse zu schaffen. Virtuelle Messen, Online-Angebote, neuzeitliche Arbeitswelten, neuartige Produktpräsentationen, digitale Leadgenerierung und viele herausragende technologische Anwendungen stehen nun im Vordergrund der B2B-Marketer. Dieser Wandel hat sich aber schon vor der Krise abgezeichnet und wurde nun schlagartig beschleunigt.
Prof. Thaler: Die skizzierte Entwicklungsrichtung sehe ich genauso. Beispielsweise hat das Thema „Künstliche Intelligenz“ (KI) in der Forschungslandschaft der Hochschulen und Institute in jüngerer Zeit einen wahren Boom erlebt. Insbesondere die Anwendungsforschung für die Kombination von KI mit Marketing- bzw. Vertriebsprozessen, Stichwort wissensbasierte Assistenzsysteme, lässt sich hier nennen.
Frau Kaden, am Ende noch eine spezielle Frage zum bvik. Als Geschäftsführerin des Verbandes erleben Sie täglich, wie Ihre Mitglieder mit der aktuellen Situation und den Veränderungen zu kämpfen haben. Können Sie hier Hilfestellungen geben?
Kaden: Die Mitglieder und deren Herausforderungen haben bei uns höchste Priorität. Wir versuchen durch unsere Angebote, ihnen bestmögliche Hilfestellungen und Orientierung zu geben, die einen Mehrwert für sie bieten. Die aktuellen Ergebnisse unserer beiden Studien „B2B-Marketing-Budgets“ und „Digitalisierungsoffensive 2020 im B2B-Marketing“ stellen hierbei wichtige Tools dar, um die aktuelle Situation besser zu beurteilen und die eigenen Aktivitäten in einen größeren Kontext einordnen zu können. Die Studien liefern nicht nur Einblicke in Entwicklungen, sondern ermöglichen es auch, die eigene Arbeit mit anderen zu vergleichen. Durch den (digitalen) Wandel, über den wir ausführlich gesprochen haben, wird es zudem immer wichtiger, die richtigen Partner zu finden. Unser starkes Netzwerk bündelt hierbei eine enorme Expertise aus den verschiedensten Bereichen. Aus diesem Grund bieten wir seit Kurzem auch ein Agentur-Matching an, bei dem unsere Dienstleister ihre Kernkompetenzen offen ausweisen können. Dadurch erleichtern wir es den Industrieunternehmen, die passenden Dienstleister für die neuen Herausforderungen und Aufgaben zu finden.
Weiterführende Inhalte