B2B-Messe der Zukunft: Chancen einer neuen Erlebniswelt

Kaum ein Thema bewegt die Branche so sehr wie das Thema Zukunft der B2B-Messe. Mit der Pandemie wurde die Einordnung der Messe in die 360°-Kommunikation zwischen digital bis analog einem Faktencheck in Sachen Kosten und Effizienz in der B2B-Praxis unterzogen. Mit jedem neuen Erfahrungswert kann die nächste Konzeption hinterfragt und optimierter gedacht werden. 

Kim Kugelmann, Bundesverband Industrie Kommunikation e.V.

Die studierte Anglistin bringt vielseitige Erfahrungen in der PR-Branche und Öffentlichkeitsarbeit seitens Agentur und Unternehmen ein und betreut an der Seite von Tanja Auernhamer u.a. die Bereiche Presse, Kommunikation & Content im bvik. 

Kim Kugelmann auf LinkedIn.

 

Zuerst kam der Einbruch 

Zu Beginn der Pandemie war der Optimismus gegenüber Online-Formaten mangels Alternativen bei manchen groß, davon berichtet auch Lorenz Rau, der zum denkbar schlechten Zeitpunkt im März 2020 die Geschäftsführung der Messe Augsburg übernahm und unter anderem vor einer frischgebauten, bedrückend leeren Messehalle stand. Von den Herausforderungen, dem schnellen Umschwung und neuen Chancen sprachen neben ihm Experten aus Industrie, Wissenschaft und Dienstleistung bei der bvik-Veranstaltung am 15. September auf dem Messegelände in Augsburg. 

Im Rückblick auf die vergangenen beiden Jahre sind sich die Expert:innen zumindest in einem einig: In der aktuellen Umsetzung sind digitale Messen nicht in der Lage reale zu ersetzen. Moderator Alexander Biesalski, Geschäftsführer von Biesalski & Company, begründet dies einfach: „B2B ist ein People-Business“. Trotzdem bleibt die Herausforderung, die virtuelle Welt einzubinden, denn sie bietet neue Chancen und Zielgruppen, außerdem fordern Kunden komfortable Lösungen. 

 

Trends einer neuen Messewelt 

Um sich den offenen Fragen zu stellen, lohnt es sich, die Messe ganzheitlich neu zu denken, so Prof. Dr. Bernd Radtke, Studiengangsleiter BWL – Messe-, Kongress- und Eventmanagement der Duale Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg. Dabei geht es auch um inhaltliche Formate, denn die Messe muss schon lange mehr bieten als eine Halle voller Exponate. Radtke analysiert die größten Trends der Messekonzeption und stellt als Top 3 die folgenden vor: 

  1. Customer Experience mit Erlebnis-Charakter: Die Messe muss auf den Besucher als Mensch abgestimmt sein und diesen emotional und multi-sensorisch erreichen. Elemente wie Gamification, Rituale, Besucheraktivierung und intelligentes Matchmaking können dabei helfen, Gänsehaut-Momente zu kreieren. 
  2. Nachhaltigkeit: Das Buzzword unserer Zeit ist zutiefst ernst zu nehmen, Messeveranstalter müssen sich nachhaltig (in allen Aspekten) aufstellen und dies entsprechend (gut) kommunizieren. 
  3. Auftrag zum gesellschaftlichen Diskurs: Der USP von Messen ist die geballte Branchenkompetenz an einem Ort zusammen zu bringen. Dieser Anziehungspunkt hat eine Verantwortung sich als Sprachrohr einer Branche politisch-sozial zu positionieren. 

Über allem steht, wie Prof. Dr. Radtke erläutert, „das 11. Gebot: Du sollst nicht langweilen!“. 

Learning by Doing im Industrie-Marketing 

Sabine Hauß, Leiterin Messe-, Schulungs- und Eventmanagement bei der JUMO GmbH & Co. KG, gab exklusive Einblicke in die stete Weiterentwicklung der eigenen Konzepte und wie jede Erfahrung gleichermaßen zu Learning und Chance wurde. Nach der mehrfachen Erfahrung, dass Kunden digitalen Messen wegen des bürokratischen Aufwands fernbleiben, konzipierte JUMO eine Alternative: Eine eigene Event-Plattform, wo Kunden schnell und einfach Kontakt aufnehmen können und unkompliziert Hilfe und Beratung bekommen.  

Auch dabei lief nicht alles rund, denn das nächste Learning zeigte: Neukunden scheuen sich im digitalen Umfeld vor dem persönlichen Gespräch: Wenn ein spontaner Video-Chat in Aussicht steht, ist der Besucher schnell wieder weg. Mittlerweile begleiten die neuen Formate den traditionellen Messeauftritt, auf den JUMO stark setzt, allerdings mit kleinen Kniffen, die die Erfahrung für alle Beteiligten wertvoller machen. Kleine Anpassungen des Messestandes, wie die Integration von offenen Kommunikationsflächen bieten den Besuchern einen Mehrwert und für das Standpersonal sind eingebaute Spinde auf dem eigenen Stand beispielsweise sehr hilfreich. Sabine Hauß vergleicht die Erfahrungen der Krisenjahre mit den Prinzipien des Improvisationstheaters, denn die neue Devise bei JUMO lautet „Alle Chancen annehmen und nutzen“. Ausgangspunkt aller Aktivitäten sind nun große Kampagnen, immer ausgehend von den Sorgen der Kunden und gesteuert vom Kampagnen-Management als Schnittstelle zwischen den Abteilungen.  

Verbindungen schaffen mit gutem Storytelling 

Während es JUMO geschafft hat, schnell kompetente digitale Lösungen aufzusetzen, spiegelt Sven Sonntag, Geschäftsführer bei der GETPIONEERS GmbH, die Herausforderungen vieler seiner Kundenunternehmen wider: Die Veränderung der Weltlage fast über Nacht führte zu extremem Zeitdruck, der generelle Tendenzen der Industrie beschleunigte, verschiedene Digitalisierungsansätze überholen sich noch immer gegenseitig und führen zu Insellösungen, die die Prozesse im Endeffekt erschweren. 

Die Erfahrung zeigt: Es gibt Daseinsberechtigung diverser Formate dank ihrer unterschiedlichen Ziele. Bei Präsenz geht es um den persönlichen Kontakt, während sich digitale Veranstaltungen eher zum Wissenstransfer eignen. Deshalb benötigen die Formate ein unterschiedliches Storytelling, aber trotzdem einen gemeinsamen roten Faden, der die Kunden stärker an das Unternehmen bindet.  

Sonntag nutzt dafür als Beispiel die interaktive 3D-Webtechnologie: Digital konzipiert, kann diese auch offline integriert und an unterschiedlichen Stellen flexibel und individuell eingesetzt werden. Interaktive Produktpräsentationen und die mögliche Einbettung einer Vielzahl an Informationen ermöglicht den zugeschnittenen Einsatz auf Präsenzmessen, im Vertrieb, bei virtuellen Schulungen, zur grafischen Aufbereitung und als Framework zur Content-Erstellung. Wichtig sei es jedoch, die Inhalte formatspezifisch an die Zielgruppe auszuspielen. 

Der Blick in die Glaskugel 

Den Abschluss der Vortragsrunde machten die Messeexperten Hendrik Hochheim, Bereichsleiter Messen Deutschland, AUMA und Birgit Pacher, Manager Research and Development, German Convention Bureau. Während hybride Veranstaltungen immer wieder von unterschiedlichen Seiten beleuchtet werden, betrachtet das GCB auf Basis eigener Umfragen diese mit als Zukunftstreiber der Branche. Weiter präsentiert Birgit Pacher einen eindrucksvollen Ausblick in drei verschiedene Zukunftsszenarien, aufbauend auf der „Neuen Welt“: 

  1. Tried & Trusted: So bald als möglich kehren wir zu unserem gewohnten Standard und dessen Bequemlichkeit zurück. 
  2. Diverse & Flexible: Aktuelle Trends setzen sich fort und der Fokus liegt auf Freiheit und Ungebundenheit auch im Beruflichen. Themen wie New Work werden und bleiben erfolgsentscheidend. 
  3. Green & Aware: Nachhaltigkeit bestimmt unser Handeln in allen Aspekten. 

Die Zukunft der Branche liegt aus Parchers Sicht dazwischen und wird eine Verbindung dieser Ausprägungen mit unterschiedlicher Gewichtung sein. Dennoch ist es sehr spannend diese Entwicklungen nebeneinander zu stellen und die Potenziale abzuwägen. 

Hendrik Hochheim bekräftigt die Trends und diskutiert unter den Top-Herausforderungen, die es für hybride Erfolge zu Meistern gilt, das Thema Datenschutz. Denn maßgeschneiderte Inhalte und intelligentes Matchmaking sind digital erfolgsentscheidend. Auch offline gibt es auf Austeller-. und Messeseiten weiterhin große Herausforderungen, aber auch die Chance, die Messe unabhängig weiter zu denken und zu optimieren. Seine Empfehlung lautet: Die Architektur eines Messestandes immer auch medial mitzudenken. Der persönliche Kontakt sei auf Messen so zentral, dass dieser in jeder Hinsicht gut und professionell sein muss. Es werden neue KPI zur Bewertung des Erfolgs benötigt, dies sei wichtiger denn je, ebenso wie ein Investment in die benötigten Qualifikationen. Diese haben sich durch digitale und hybride Messen radikal verändert.  Mitarbeiter werden laut Hochheim zu Markenbotschaftern und Messen zu analogen Kraftzentren. 

Key Learnings aus der Expertenrunde 

In der abschließenden Paneldiskussion der Referent:innen wurden einige der Key-Learnings mit dem Plenum diskutiert: 

  • KPIs funktionieren auf Messen anders, aber auch den persönlichen Austausch kann man tracken. Das Problem ist häufig eine fehlende Kommunikation und Klarheit der Bedürfnisse zwischen Messen und Ausstellern, sowie zwischen den internen Abteilungen. 
  • Verschiedene Eventformate müssen in eine kontinuierliche Erlebniswelt integriert werden, um Leads immer weiter zu qualifizieren. 
  • Flankierenden Social Media Begleitung ist selbstverständlich, nur die Kanäle gilt es entsprechend der Zielgruppe zu wählen. 
  • Nachhaltigkeit ist das brennendste Handlungsfeld im Messe-Bereich, dem sich ausnahmslos alle annehmen müssen.  

 

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