GoGreen: Wie die Messe München auf Nachhaltigkeit setzt

[no_toc] Die bauma ist die flächengrößte Messe der Welt, dazu kommen weltweit-angereiste Aussteller und Besucher, sowie tonnenschwere Ausstellungsstücke. Wie lässt sich der CO2-Fußabdruck einer Messe dieser Dimensionen entlasten, reduzieren und kompensieren? Expertin Doris Wagner berichtet im Interview über die Bestrebungen und Maßnahmen der Messe München zur Klimaneutralität bis 2030.

Doris Wagner, Messe München GmbH
Director Public Policy & ESG

In Bremen geboren und aufgewachsen, hat Doris Wagner nach ihrer Ausbildung und ersten beruflichen Schritten jeweils fünf Jahre in London und in Mailand in der Textilindustrie gearbeitet. Zurück in Deutschland hat sie begonnen, sich parallel zu ihrer Berufstätigkeit politisch zu engagieren und war in der Legislaturperiode 2013 – 2017 Bundestagsabgeordnete mit den Schwerpunkten Verteidigungspolitik und Demografie. Seit Februar 2019 arbeitet sie bei der Messe München.

Bildquelle: Messe München

bvik: Würden Sie kurz etwas über sich und Ihre Rolle bei der Messe München erzählen?

Doris Wagner: Sehr gerne. Ich bin seit 2019 bei der Messe München tätig und habe dort in den letzten 3,5 Jahren die Direktion geleitet. Das ist die Schnittstelle zwischen der Geschäftsführung der Messe München, den Gesellschafterrepräsentanten mit den dazugehörigen Behördenvertretern und dem Aufsichtsrat. Und jetzt freue ich mich seit 1. Juli die neue Stabsabteilung Public Policy & ESG aufbauen zu dürfen.

Nachhaltigkeit ist längst kein ‚nice to have‘ mehr. Nur in einem intakten Umfeld – Umwelt und Gesellschaft – können wir wirtschaftlich profitabel arbeiten. Der Klimawandel ist DIE Herausforderung unserer Zeit. Insbesondere auch vor dem Hintergrund meiner politischen Vergangenheit, ist der Aufbau dieser Abteilung, in der sowohl die politische Vernetzung angesiedelt ist als auch die Nachhaltigkeitsthemen der Messe gebündelt werden, eine wirklich spannende Aufgabe. Es geht um nichts weniger als das Überleben der Menschheit und gleichzeitig müssen wir profitabel arbeiten, um als Unternehmen zu bestehen und die notwendigen Maßnahmen finanzieren zu können. Auch die Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben ist hier angesiedelt. Wir sind als Unternehmen verpflichtet, künftig im Rahmen unseres Jahresabschlusses einen prüffesten Nachhaltigkeitsbericht vorzulegen. Und nicht zuletzt wollen wir uns als Arbeitgeber in der Konkurrenz um die klügsten Köpfe positionieren. Also alles zusammen eine interessante Herausforderung.

 

Nach der langen Pause wurden auch neue Erwartungen an Messeveranstalter gerichtet, dazu gehört ein passendes Nachhaltigkeitskonzept. Wie stellt sich die Messe München hier bisher auf?

In der Tat. Wir sind fest davon überzeugt, dass nachhaltiges Handeln auch in der Messebranche ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein wird. Außerdem nehmen wir als Messe München unsere Verantwortung als gesellschaftlicher Akteur wahr. Wir tragen den Anforderungen unserer Kunden Rechnung. Entsprechend begleitet das Thema Nachhaltigkeit die Messe schon seit vielen Jahren und hat als zentrale strategische Grundrichtung ‚Green Footprint‘ 2020 Eingang in die Unternehmens-Strategie gefunden.
Hauptziel ist, bis 2030 CO2-neutral zu werden. Unsere Nachhaltigkeitsstrategie umfasst eine Vielzahl an Maßnahmen und Projekten (über 200) in den Bereichen Energie, Wasser, Mobilität, Biodiversität, Soziales, Governance und Ressourcen.  

Wir haben bereits eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt und weitere in die Wege geleitet. So haben wir schon beim Bau der Hallen hier in Riem die seinerzeit weltweit größte Photovoltaik-Dachanlage errichtet. Außerdem sind einige Hallendächer und Hallenaußenwände begrünt. Wir werden mit Fernwärme versorgt, die aus Geothermie gespeist wird und beziehen Öko-Strom. Mit mehr als 80 Ladestationen auf dem Gelände fördern wir Elektromobilität und zusätzlich haben wir eine Wasserstofftankstelle. Und wir haben damit begonnen, die Lampen mit LED-Leuchten auszustatten.

Gleichzeitig müssen wir auf dem Weg unsere Aussteller mitnehmen und tun dies konsequent. Nur zwei Maßnahmen seien beispielhaft genannt: Für die IFAT 2020 hatten alle Aussteller die Möglichkeit, mit dem „GoGreen“-Audit den Fußabdruck ihres Messeauftritts messen zu lassen und – wenn gewünscht – dann auch zu kompensieren. Für die Besucher unserer Weltleitmessen wie IFAT, drinktec, Expo Real oder auch Bauma bieten wir das „GoGreen“-Ticket an, mit dem Aussteller und Besucher den Fußabdruck ihrer Anreise schnell und einfach kompensieren können. Die Kompensation erfolgt mittels einer Prämie, die zusätzlich zum regulären Ticketpreis erhoben wird. Auch nachhaltige Standkonzepte und Caterer, die vermehrt regionale- und Bio-Produkte anbieten, gehören zu unserem Nachhaltigkeitsprogramm.

Wenngleich wir das Erreichen der Klimaneutralität bis 2030 für uns ausgerufen haben während der AUMA das Jahr 2040 definiert hat, machen wir uns gemeinsam – wie auch natürlich die anderen Unternehmen der deutschen Messewirtschaft  –  auf den Weg dorthin und unterstützen vollumfänglich die Ziele des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. 

 

Vor allem lange Anreisen und Lieferwege der Exponate treiben bei Messen den CO2 Ausstoß nach oben. Wie geht das überhaupt mit Nachhaltigkeit zusammen?

Wir sehen Messen als Teil der Lösung auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft: Messen sind Treffpunkte, auf denen Branchenpartner als Problemlöser gemeinsam Wege in eine nachhaltige Zukunft bereiten. Messen sind Plattformen und Treiber von Innovationen. Mit unseren zukunftsorientierten Ausstellern und den Besuchern, die auf der Suche nach enkeltauglichen Lösungen sind, gehen wir gemeinsam den Weg in eine nachhaltige Zukunft. Gleichzeitig sind wir Akteur mit eigener Strategie in Richtung Net-Zero.

An einem Ort ein breites Angebot zu bieten, verschiedene Zielgruppen gleichzeitig anzusprechen, ist in der Ökobilanz wesentlich sinnvoller als das Abhalten vieler Einzelveranstaltungen oder wenn zahlreiche Anbieter einzeln besucht werden. Bei einer Messe mit 100.000 Besuchern und 1.000 Ausstellern finden im Durchschnitt zwischen einer und zwei Millionen Gespräche innerhalb weniger Tage auf dem Messegelände statt. Würde man die dadurch vermiedenen Reiseaufwendungen aller Beteiligten mit dem Gesamtaufwand einer Messe vergleichen, würde die Messeveranstaltung mit Sicherheit eine günstigere Umweltbilanz nachweisen können, als wenn unzählige Einzelkontakte an unterschiedlichen Standorten mit hohem Reiseaufwand zustande kämen.

Und virtuelle Messen sind kein Ersatz. Insbesondere wenn es um das Erleben von „Produkten“ geht, aber auch persönliche Begegnungen können nicht digitalisiert werden. Messen sind ein Medium eigener Art mit eigenen Möglichkeiten. Das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Geschäftspartnern ist ein Entscheidungsfaktor, dessen Wert nicht unterschätzt werden sollte.

Gerade fand in München die bauma 2022 statt, wie haben Sie hier konkret auf eine nachhaltige Umsetzung hingearbeitet und wie wurde diese angenommen?

Maßnahmen und Initiativen, die wir in den letzten Jahren angestoßen haben, wurden natürlich auch bei der flächengrößten Messe der Welt – bauma 2022 – umgesetzt. So hatten alle Aussteller der bauma die Möglichkeit, ihren Messeauftritt über das GoGreen Audit klimaneutral zu gestalten. Der Fußabdruck konnte erfasst und dann entschieden werden, ob der entstandenen CO2-Ausstoß kompensiert werden soll. Ebenso im Angebot war natürlich auch unser „GoGreen Ticket“. Nachhaltige Standkonzepte und Caterer, die vermehrt regionale- und Bio-Produkte anbieten gehören ebenfalls zu unserem Standard-Nachhaltigkeitsprogramm.

Aber auch inhaltlich stand die bauma 2022 ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit, ein zentrales Thema dieser Weltleitmesse. Fast 40 Prozent des weltweiten Treibhausgases werden durch die Baubranche verursacht. Deshalb ist nachhaltiges Bauen eine wesentliche Herausforderung unserer Zeit. Deshalb hat mich die Vielzahl an Lösungen rund um CO2-Neutralität, die von den Ausstellern auf der bauma gezeigt wurden, sehr zuversichtlich gestimmt. 

Bereits im Vorfeld der bauma 2022 wurden die Leitthemen, darunter auch ‚Nachhaltigkeit‘ in Zusammenarbeit mit dem VDA in einer Webinarreihe beleuchtet. Auf der bauma selbst stellten die Thementage im „bauma Forum“ jeweils ein Leitthema aus unterschiedlichen Perspektiven in den Fokus. Industrie, Wissenschaft und Start-up-Szene sprachen in spannenden Vorträgen, Keynotes und Podiumsdiskussionen darüber, was die Branche bewegt und in Zukunft prägen wird. Die Resonanz war außerordentlich gut. Zahlreiche Aussteller resümierten, dass das Interesse vor allem ihren nachhaltigen Produktinnovationen überwältigend war.

Wie ist die Resonanz zu Ihrem GoGreen Ticket allgemein?

Ausgesprochen positiv. Rund 30 Prozent der Tickets auf unseren letzten Weltleitmessen wurden als „GoGreen“-Ticket erworben – ein tolle Bilanz. Und auch der Verkauf der „GoGreen“-Tickets bei der bauma bestätigt uns auf unserem Weg, das Thema Nachhaltigkeit konsequent fortzusetzen. 

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie im Bezug zur Nachhaltigkeit aktuell noch und welche Schritte gehen Sie als nächstes an?

Die Themen Abfallentsorgung und Energie im Zusammenhang mit Einsparungen und alternativen Energien stehen ganz oben auf der Prioritätenliste. Wir machen uns auf den Weg in Richtung „Zero Waste“ und Kreislaufwirtschaft. Hier sind insbesondere Standbauer gefragt, die mit modularen, wiederverwendbaren Ständen den richtigen Weg weisen können.

Und ganz aktuell setzen wir den Prozess für den CSRD-Report, den Nachhaltigkeitsbericht im Jahresabschluss, auf. Das ist ein komplexes Unterfangen – wir gehen von mindestens zwei Jahren aus, bis dieser Prozess prüfsicher steht.


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