Messebeteiligung: komplex, vielseitig, zukunftsweisend

 

Messen kommen wieder, aber sie wandeln sich. Mehr als zwei Jahre, in denen Messen nicht oder nur unter schwierigen Bedingungen stattfinden konnten, haben gezeigt, was fehlte. Gleichzeitig sind neue, digitale Formate entstanden. Das macht die Messeplanung komplexer. Welche Trends werden die Messen in naher Zukunft prägen?

Hendrik Hochheim,  AUMA

Leiter des Bereichs Messen Deutschland im Verband der deutschen Messewirtschaft

Hendrik Hochheim ist neben seiner Position im AUMA außerdem Geschäftsführer der FKM, Gesellschaft zur freiwilligen Kontrolle von Messe- und Ausstellungszahlen. Er ist seit zwei Jahrzehnten im Messebereich tätig, nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften arbeitete er als Messe- und Kongressveranstalter. Seit 2001 ist er in verschiedenen Funktionen im AUMA aktiv, bis 2021 auch als Leiter des Instituts der Deutschen Messewirtschaft.

Diverse Veröffentlichungen, Studien, regelmäßig Vorträge an Hochschulen und in der Wirtschaft sind Ergebnis seiner Expertise.

Bildquelle: Steffen Kugler

 

Die Veränderungen der Messen haben schon vor den aktuellen Krisen Inflation, Krieg und Corona begonnen.

Das Tempo nimmt aber zu.

Trends beeinflussen Unternehmen, deren Marketing und damit auch die Messen und Messebeteiligungen. Die Megatrends Digitalisierung, Nachhaltigkeit und der demografische Wandel sind schon seit Jahren wichtig. Dazu kommen disruptive Entwicklungen, die ganze Branchen verändern. Unternehmen sind gut beraten, diese Trends in ihrer Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen, wollen sie zukunftsfähig bleiben. Da Messen die Spiegel ihrer Branchen sind, sollten Unternehmen die Trends in der Messewirtschaft, der Kommunikation und im Marketing genauso beachten wie die Trends in ihren Branchen. Es geht also darum, die Entwicklungen bei den Messekonzepten der Zukunft von Anfang an mitzudenken. Kein erfolgreicher Messeauftritt kommt zukünftig mehr ohne clevere digitale Flankierung und nachhaltige Lösungen aus.

Beispielhaft sollen hier drei Trends angesprochen werden:

  1. Es geht darum, (neue) KPIs für Messen – ob nun real oder hybrid/digital – für die Erfolgsmessung zu entwickeln. Daten sind im personalisierten Marketing schon seit Längerem essenziell für eine erfolgreiche Kundenansprache. Auf Messen werden große Mengen an Daten über Kunden generiert. Hier sollten Veranstalter und Aussteller gemeinsam Lösungen finden, wie Datenschutz und Big Data zusammengebracht werden können.
  2. Die Messe wird noch stärker zum Labor für neue Lösungen, auch für gesamtgesellschaftliche Probleme. In der Wirtschaft gibt es etliche Beispiele für erfolgreiche Co-Creation und Co-Production-Prozesse. Das passt auch für Messen, indem am Messestand gemeinsam mit Kunden neue Ideen entwickelt werden.
  3. Weiterhin wird schon seit Jahren darüber gesprochen, dass das Marketing noch emotionaler werden muss. Richtig gut gemachte Messeauftritte sind dafür prädestiniert, sprechen sie doch alle Sinne an, bringen Vertrauen durch persönliche Begegnungen und können Kunden begeistern.

 

Die aktuellen Krisen bieten die Chance, Messen weiterzuentwickeln und neu zu denken

wofür Messen wirklich stehen.

Der Wegfall der Messen hat gezeigt, dass vor allem das Networking auf persönlicher Ebene fehlte. Die Neukundengewinnung war ohne Messen für etliche Unternehmen deutlich komplizierter, vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Die Markteinführung und der Vertrieb neuer Produkte gestalteten sich – nicht nur – bei erklärungsbedürftigen, komplexen Produkten schwierig. Und nicht zuletzt fehlten mit den Messen die zentralen Kommunikationsanlässe der Branchen, über die vor, während und nach der Messe in den Medien on- und offline intensiv berichtet wurde.

Jede Messe und jeder Messeauftritt sind neu und einzigartig. Messen haben sich seit jeher permanent gewandelt. Und trotzdem gab es auch eine gewisse Routine, die die Planungen erleichterte, manchmal aber auch Innovationen im Weg stand. Gerade jetzt, in einer Zeit der multiplen, parallelen Krisen, bietet sich die Chance und der Platz, neu darüber nachzudenken und auszuprobieren, welche Konzepte und Ideen zukunftsfähig sind und was über Bord geworfen werden sollte.

Dazu müssen alte Fragen neu gestellt werden:

  • Wissen wir wirklich, was die Kunden (am Messestand) wollen oder vermuten wir das nur, Stichwort Customer Experience?
  • Bieten wir einen echten Dialog auf Augenhöhe oder Kommunikation als Einbahnstraße?
  • Beziehen wir Kunden in relevante Diskussionen mit ein?
  • Nutzen wir alle persönlichen Kontaktmöglichkeiten?
  • Ist sichergestellt, dass die Messe digital verlängert und die wertvollen Leads weiter gepflegt werden?

 

Die Anforderungen werden komplexer.

Aktuell sind die Folgen multipler Krisen zu bewältigen; Inflation in Deutschland, Krieg in Europa, die globalen Auswirkungen der Corona-Pandemie, um nur drei zu nennen. Gleichzeitig ist die wirtschaftliche Situation der Aussteller von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. Verlässliche Prognosen sind momentan mit noch mehr Unsicherheit belegt als ohnehin schon immer. Viele Unternehmen fahren daher auf Sicht. Das kollidiert mit einer langfristigen Planung, die bei Messen normalerweise Standard ist. Volatile Märkte erfordern kurzfristigere, schnellere Entscheidungen. Aber Schnelligkeit ist nicht der alleinige Erfolgsfaktor. Vielmehr sind Flexibilität, Improvisationstalent und Anpassungsfähigkeit gefragt.

Immer mehr Unternehmen müssen dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Die aktuelle bvik-Marketing-Budget-Studie zeigt, dass Employer Branding zunehmend ein wichtiges Zukunftsfeld auch im Marketing wird. Für Messebeteiligungen bedeutet es, das Thema im engen Zusammenspiel von Marketing und HR auch bei Messen zu spielen. Denn Messestände sind eine Visitenkarte der Unternehmen. Doch hier wird die Marke zum Leben erweckt, bekommt ein Gesicht, auch für potenzielle neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Studien wie der AUMA-MesseTrend haben schon vor Corona gezeigt, dass B2B-Messen immer mehr als Plattformen für die Mitarbeitersuche genutzt werden. Denn auf Messen kommen die wichtigsten Akteure der jeweiligen Branche zusammen. Warum sind dann nur so selten HR-Verantwortliche am Messestand anzutreffen?

Insgesamt kann man sagen, dass die Messeplanung komplexer wird. Das erfordert einen höheren finanziellen und personellen Aufwand. Es sind Investitionen notwendig. Denn die Verzahnung von realen und digitalen Konzepten erfordert mehr Ressourcen und zusätzliche Qualifikationen bei allen Beteiligten.

 

Die Customer Journey wird digitaler. Messen bilden das analoge Kraftzentrum.

Die zurückliegenden zweieinhalb Jahre waren für Messen und Messemenschen ein unfreiwilliges Experiment mit vielen Aufs und Abs, aber auch reichlich Lerneffekten. Nicht selten wurden früher ganze Marketingkampagnen auf den Messetermin als Highlight der Branche hin geplant und rund um die Messe ausgespielt. Schlagartig fehlten diese Highlights. Seit Jahren fest eingeplante Messebeteiligungen mussten zwangsläufig gestrichen werden. Als Alternative wurden vor allem digitale Formate (weiter-)entwickelt, es wurde viel experimentiert. Das ist gut! Da gab es durchaus Formate, die gut funktioniert haben, vor allem bei der reinen Informationsvermittlung. Es hat sich aber auch gezeigt, dass rein digitale Formate nicht alle Facetten einer Messe ersetzen können. Der Bedarf für das persönliche Treffen ist groß.

Die aktuelle bvik-Studie „B2B-Marketing-Budgets 2022“ prognostiziert wieder steigende Budgets für Messebeteiligungen. Das ist ein klares Indiz für den nach wie vor hohen Stellenwert der Messen. Denn Unternehmen investieren nur, wenn sie einen entsprechenden ROI erwarten.

Fazit: Gut gemachte Messen werden als Kraftzentren gebraucht. Sie sind die realen Highlights in einer digitalen Welt mit ihrer permanent verfügbaren Informationsflut. Sie bieten Orientierung, Überblick und zufällige Begegnungen – wobei jedoch kein Format 2022 sein wird, wie in den Folgejahren.

 

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Lesen Sie außerdem mehr über die Entwicklung der Messe durch und nach der Pandemie in dem aktuellen bvik-Whitepaper und Trendpaper zum Thema Live-Kommunikation.

 

 

 

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